Bei ihrem philharmonischen Abonnementkonzert lieferten die Berliner Philharmoniker leider meistenteils nur Dienst nach Vorschrift ab. Freilich ist das bei den Berliner Philharmonikern immer noch Musizieren auf allerhöchstem Niveau, aber den Mitgliedern des wohl eines der besten Orchester der Welt unterliefen Fehler, die man von ihnen nicht gewöhnt ist. Und das lag definitiv nicht an der Leistung des 1975 geborenen französischen Dirigenten Alain Altinoglu, der seit der Spielzeit 2016/2017 amtierender Directeur Musical des Brüsseler Théâtre Royal de la Monnaie ist und mit diesem Konzert bei den Berliner Philharmonikern debütierte. Altinoglu schlug präzise und für jeden Musiker gut lesbar, setzte seine Gesten bewusst und wirkungsvoll ein und bot neben dem Viola-Solisten Máté Szücs (1. Solo-Bratscher der Berliner Philharmoniker) die beste Leistung des Abends.

Bei der anfänglichen Rapsodie espagnole von Maurice Ravel hatten die Philharmoniker noch die musikalische Handbremse angezogen und waren passagenweise unkonzentriert. So bliesen die Klarinetten mehrfach nicht synchron, die Bläser nicht ganz sauber, die Streicher spielten nicht ganz auf den Punkt und zeigten klangliche Schwächen in der Abstimmung innerhalb einzelner Stimmgruppen. Auf die Rapsodie espagnole folgte der Glanzpunkt des Abends, das selten gehörte Konzert für Viola und Orchester, Sz 120 von Béla Bartók in der Fassung und Orchestrierung von Csaba Erdélyi (2016) als Europäische Erstaufführung. Auf Wunsch des schottischen Bratschisten William Primrose war das Konzert im Jahre 1945 entstanden, wobei Primrose in einem Brief an Bartók vorsorglich klargestellt hatte: „Lassen Sie sich von den scheinbaren technischen Grenzen des Instrumentes nicht beeinflussen. Ich kann Ihnen versichern, dass diese lediglich mit der Epoche zusammenhängen, in der die Bratsche ein `pensioniertes Instrument` war, und die heute nicht mehr existieren.“ Und Bartók hielt sich an diese Vorgabe.

Der Bratscher Csaba Erdélyi hatte 2004 eine eigene Fassung des unvollendeten Konzerts vorgelegt, die er 2016 noch einmal überarbeitete. Dass die Uraufführung dieser überaus homogenen Version des Bratschenkonzerts von Béla Bartók vom Publikum so wohlwollend angenommen wurde, lag nicht zuletzt an der überzeugenden Interpretation des Bratschisten Máté Szűcs. Szűcs spielte technisch fast immer souverän und phrasierte zupackend. Besonders anrührend gelangen ihm die lyrischeren Passagen des zweiten Satzes. Hier schickte Máté Szűcs einen herrlich schwebenden und tonlich perfekt ausbalancierten Bratschenton in die Philharmonie.

Szűcs absolvierte zunächst ein Violinstudium bei Ferenc Szecsödi am Konservatorium in Szeged und wechselte 1996 zur Bratsche bei Ervin Schiffer. 2005 schloss er sein Studium bei Leo de Neve am Königlichen Konservatorium von Antwerpen mit Auszeichnung ab. Nach Stationen als Orchestermusiker und Solobratschist bei den Bamberger Symphonikern, der Sächsische Staatskapelle Dresden und dem hr-Sinfonieorchester kam Máté Szűcs zur Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und 2011 schließlich zu den Berliner Philharmonikern. Dass Szűcs auch regelmäßig als Kammermusiker konzertiert, merkte man seinem sensiblen Wechselspiel mit dem Philharmonischen Orchester an.

Nach der Pause folgte eine weitere Uraufführung, nämlich die von Alain Altinoglu arrangierte Suite aus der Oper Pelléas et Mélisande von Claude Debussy. Das Arrangement ist durchaus hörenswert, die Interpretation an diesem Abend war allerdings unaufregend. Das Spiel der Philharmoniker war eher Impressionismus im Sinne eines herbstlichen Ton-in-Ton-Aquarells von Willem Witsen als ein sommerlich flirrend-pointilistischer Seerosenteich von Claude Monet, was die Partitur durchaus hergegeben hätte. Die Orchestersuite Nr. 2, Op.43 "Bacchus and Ariane" des weitgehend unbekannten Debussy- und Ravel-Zeitgenossen Albert Roussel gab schließlich mit ihren abwechslungsreichen rhythmischen und harmonischen Einfällen und einem furiosen Finale dem insgesamt eher enttäuschenden Konzertabend noch einen versöhnlichen Abschluss.