Allein aus Bekanntheitsgründen hätte ich nun für die Kantate im Februar Ich habe genug, BWV82, oder den Vorausgriff auf die Matthäuspassion Sehet! Wir gehen hinauf gen Jerusalem, BWV159, aufs verschriftliche Vorstellungspodest heben können. Doch fiel meine Wahl getreu dem stets wiederkehrenden Motto „wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ auf eine andere Kantate; ebenfalls, wie BWV82, eine Solokantate, obwohl sie, wie einige weitere Beispiele, durch die Vorgabe der drei Ripienisten für den Schlusschoral eigentlich nicht in die Kategorie im engeren Sinne einzuordnen ist. Gleichzeitig nimmt das am 09. Februar 1727, also exakt am Sonntag eine Woche später als BWV82, uraufgeführte Figuralwerk Ich bin vergnügt mit meinem Glücke, BWV84, Bezug auf eine Evangelienstelle bei Matthäus, die für sich eines der berüchtigsten Gleichnisse und damit Bilder im kirchlichen, gar manchmal politischen Bereich bereithält. Es ist dasjenige des Arbeiters im Weinberg zur theologisch erstrebenswerten Einstellung des gläubigen Erdbewohners, sich demütig und bescheiden allein in den Dienst des Herrn zu stellen.
Da in der Kantate von Anfang an ein Sopran vorgesehen war – der Bass hatte ja zuvor seinen Auftritt –, entsteht unweigerlich, wie die von Bach immer so genial durch die Basics der Instrumente (sparsam besetzt!) und Noten kreierte, den allseits umwehenden Schein der Natürlichkeit tragende Atmosphäre, die Charakterillusion einer Nonne – oder lutherisch besser – Diakonisse. Die Person, die sich der kargen und gottkonzentrierten, daher umso (be)lohnenderen und herzensreicheren, Lebensweise aus Arbeit und Gebet verschrieben hat. Auch sonst vermittelt der Sopran schließlich die Stimme und Gestalt einer treugläubigen Seele, die ihr Leben ganz in Vertrauen zu Jesus und Gott stellt. Und es daher in erfreulicher Genügsamkeit und Tugend, den „Geschenken“ und „kleinen Gaben“ der daraus erwachsenen Vergnügsamkeit und Glückserfahrung, fristet, wie die erste Arie mit Grundensemble und Solooboe den Rezipienten unfassbar anrührend wissen lässt.
Das Rezitativ der süßlich gepredigten Duldsamkeit und Einordnung des Menschen als Empfänger von Gottes Liebe und Geber neidloser Nächstenliebe, um danach in den Himmel emporzufahren, verbindet selbstverständlich diesen einleitenden Gedanken der Arie mit der nächsten Arie und den darin beschriebenen einzigen Grundbedürfnissen menschlicher Dienstleistung und Erwartung. Es sind Kleidung, Gottesfurcht als geistig-geistliche Nahrung und eben schlicht weltlich-lebensnotwendige Lebensmittel in Form von Essen, denen Bach in „Ich esse mit Freuden mein weniges Brot“ einen Tanz von Vokalsolo, Solooboe, Continuo und nun präsent dazukommender Solovioline widmet. Bis zum Lebensende tragen Brot und Glaube, so blickt das Accompagnato-Rezitativ sorgsam umspannend voraus, um symbiotisch mit dem Bild des Arbeiters im Weinberg den ausbezahlten „Groschen“ im wahrsten Sinne des Wortes umzumünzen als Kreislaufwährung für Brot und Lohn sowie auf das einzig haptische Eintrittskapital in den gelobten Himmel. Denn auf einer Seite der Münze ist das Reich Gottes geprägt worden. Allein in diese Anlage, das gute und gerechte Schicksal, setzt die Diakonisse und gläubige Seele ihre Hoffnung. Eine, die der schlichte Choral mit erwähnten Mitsprechern klassisch durch die Geschichte Jesu bekräftigt.