Nach der in der April-Kantate ausgesprochenen Mahnung, Jesus und seine Auferstehung in Erinnerung zu behalten, knüpft das von mir ausgesuchte Beispiel für Mai mit einer eindrücklichen Warnung an die stete Verteidigung des wirklichen Glaubens an. Schließlich lauert – neutestamentarisch und dann auf die Zeitphänomene angewandt – der Antichrist an jeder Ecke, um die Menschen in vermeintlicher Vorgabe, in Gottes Namen zu reden, von der Lehre Christi abzubringen. Sie werden euch in den Bann tun, BWV44 (nochmals BWV183), ruft die im Johannesevangelium prophezeite Verführung der Gegenspieler des Herrn aus, die der unbekannte Textdichter Bach durch die erwarteten Lesungen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten für seine Exaudi-Kantate 1724 vorschreibt.
Ein Dictum, das Christiane Mariane von Ziegler in ihrem Libretto für das gänzlich anders verfasste – hier ebenfalls mit Musikbeispiel angeführte – Anlassstück 1725 übrigens so übernimmt. Und das Tenor und Bass imitatorisch in bedrohlich-klagendem, gesetzgeberisch-strengem Pass-auf mit den Oboen (samt Continuo) im Eröffnungsduett der Komposition 1724, die hier vorgestellt werden soll, vortragen. Diesem folgt übergehend mit „Es kömmt aber die Zeit“ als Verstärkung der ernsten Gefahr antichristlicher Verfolgung Jesu Jünger der Einsatz des Chores, der somit fast turbahaften, jedenfalls theatralisch passenden Charakter hat. Bei der In-den-Bann-Ziehung lässt sich Bach da selbstverständlich nicht lumpen.
Nur der Tenor meldet sich als Cantus firmus in der in der Generalbassbegleitung chromatischen Bearbeitung Martin Mollers berüchtigten „Ach Gott, wie manches Herzeleid“ wieder leidverdeutlichend zu Wort, nachdem der Alt in seiner Arie mit Solooboe und Instrumentalbass „Christen müssen auf der Erden“ den Beginn der abverlangten Wachsam- und Standhaftigkeit aufnahm. Gemäß des Textes der Ungeheuerlichkeit weiter opernhaft gestaltet Bach danach das Bass-Rezitativ „Es sucht der Antichrist“ mit dem beschreibenden Vorgehen der Falschredner aus. Es schließt sich – auch mit dramatischen Worten – die obligatorische, tänzerisch-beruhigende Wendungsarie „Es ist und bleibt der Christen Trost“ an, in der der Sopran mit der geschichtlichen Vertrauensweisheit dagegen hält, dass Gott bei erdlichem Entgegenbringen immer noch über uns „wacht“ und alles gut ausgehen wird.
Denn, so der schlichte Schlusschoral „So sei nun, Seele, deine“ Paul Flemings 9. Strophe aus „In allen meinen Taten“, derlei geschieht es, wenn Du auf Gott allein, der „zu allen Sachen Rat weiß“, baust.