Joe Hisaishis Zweite Symphonie fällt in eine triumphale Phase seiner fünf Jahrzehnte währenden Karriere. Auf dem neuen Album Joe Hisaishi in Vienna, das mit den Wiener Symphonikern und dem Bratschisten Antoine Tamestit aufgenommen wurde, ist die neue Symphonie gepaart mit Viola Saga, einem gefühlvollen Bratschenkonzert. Es ist Hisaishis zweite Veröffentlichung bei Deutsche Grammophon und folgt auf A Symphonic Celebration von 2023: Music from the Studio Ghibli films of Hayao Miyazaki.

Joe Hisaishi © Andreas Bitesnich
Joe Hisaishi
© Andreas Bitesnich

1950 in Nakano, Japan, geboren, begann Hisaishis musikalische Ausbildung im Alter von vier Jahren mit der Geige. Als junger Erwachsener studierte er Musik an der Kunitachi-Musikhochschule in Tokio und begann eine fruchtbare und vielfältige Karriere als Pianist, Dirigent und Komponist, die zahlreiche Genres von Jazz über elektronische Musik bis hin zu Orchesterwerken umfasst. Neben seinem umfangreichen Katalog von Filmmusiken – insbesondere seiner gefeierten Zusammenarbeit mit Hayao Miyazaki, dem Regisseur von Studio Ghibli-Filmen wie Princess Mononoke und Spirited Away – komponiert Hisaishi auch häufig Konzertwerke. „Im Grunde bin ich ein Minimalist, und genau hier setze ich an, wenn ich komponiere”, sagt er mir.

Der Anstoß zu Hisaishis Zweiter Symphonie kam in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie, während einer unvermeidlichen Unterbrechung seines normalerweise vollen Terminkalenders. „Alle meine Konzerte im Ausland wurden verschoben, so dass ich etwas Zeit hatte”, erklärt er. „In Japan waren alle niedergeschlagen, alle waren traurig. Und ich dachte, jetzt ist die Zeit, in der ich etwas Großes schaffen kann.”

Die dreisätzige Symphonie Nr. 2 ist ein umfangreiches, mitreißendes Werk, das sowohl von Hisaishis minimalistischem Stil als auch von anderen Einflüssen wie Gustav Mahler, einem seiner Lieblingskomponisten, geprägt ist. Hisaishis Liebe zu Mahler reicht sogar bis zu einer charmanten und ungewöhnlichen Hommage: einer Nachbildung von Mahlers Komponierhäuschen. Das Original ist eine bescheidene kleine Hütte im oberösterrichischen Steinbach am Attersee, während Hisaishis Kopie in der Nähe seines eigenen Sommerhauses in Japan steht. Vor der Pandemie hatte Hisaishi mit Hilfe eines Assistenten gearbeitet, aber die Isolation des Jahres 2020 führte zu einem anderen Ansatz. Allein in seiner Mahler-Häuschen machte er sich daran, innerhalb von zwei Jahren zwei Symphonien zu schreiben. Seine vorherige Symphonie, die epische und perkussive East Land Symphony (2018), hatte acht Jahre in Anspruch genommen.

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Hisaishi dirigiert die Wiener Symphoniker
© Andreas Bitesnich

Wie viele von Hisaishis Kompositionen vermischt auch die Symphonie Nr. 2 japanische und westliche klassische Traditionen – am deutlichsten im dritten Satz mit dem Titel Nursery Rhyme. „Das kommt aus Japan”, sagt Hisaishi über das wiederkehrende Motiv in diesem Satz, das einem japanischen Kinderlied entstammt. „Die Phrase selbst ist ziemlich kurz, aber ich dachte, wenn ich sie wiederhole, kann ich ein minimalistisches Stück daraus machen.” Es gibt hier eine mögliche Verbindung zu einer von Hisaishis jüngeren Filmmusiken, The Tale of the Princess Kaguya, unter der Regie von Isao Takahata. Diese herzzerreißende animierte Volksgeschichte enthält ein japanisches Kinderlied, das von Erwachsenen und Kindern gesungen wird, gepaart mit instrumentaler Koto-Musik, die von der Titelfigur gespielt wird.

Die Symphonie wurde im März 2023 im Wiener Musikverein uraufgeführt. Bei diesem Konzert, das jetzt auf STAGE+ als Stream verfügbar ist, dirigierte Hisaishi die Wiener Symphoniker in einem Programm, das auch sein Mládí für Klavier und Streicher sowie ausgewählte Werke aus Spirited Away, My Neighbour Totoro und Princess Mononoke enthielt.

„Das Orchester hat gemeint, dass sie eigentlich sehr wenig Erfahrung mit Minimal Music haben”, sagt Hisaishi. „Aber sie haben sich sehr bemüht, alles so zu machen, wie ich es wollte, und sie haben meine Musik zum Singen gebracht.” Für den Live-Konzertmitschnitt, der auf diesem Album zu hören ist, griff er auf seine Erfahrungen beim Dirigieren von Mahlers Erster Symphonie zurück. „Ich habe gesehen, wie die Europäer an die Sache herangehen, und habe versucht, diesen Stil in meine Arbeit einfließen zu lassen.”

Antoine Tamestit spielt Hishaishis Viola Saga mit den Wiener Symphonikern

Später im selben Jahr kehrte er nach Wien zurück, um gemeinsam mit dem französischen Bratschisten Antoine Tamestit Viola Saga aufzunehmen. „Ich denke, dass er ein großartiger Künstler ist”, sagt Hisaishi und fügt hinzu, dass er „sehr glücklich in meinem Herzen” über die entstandene Aufnahme war. „Er kann die Fröhlichkeit, die ich in diesem Stück zum Ausdruck bringen möchte, sehr gut wiedergeben. Es gibt kühle Teile und emotionalere Teile, und er kann beides sehr gut darstellen.”

Viola Saga nimmt den Hörer mit auf eine Reise von zarten, methodischen Anfängen bis hin zu einem kraftvollen Ausbruch von Dringlichkeit und nutzt dabei die Sensibilität und den Tonumfang der Bratsche voll aus. In den Album-Notizen der Deutschen Grammophon werden Vergleiche mit dem Komponisten und Pianisten Michael Nyman gezogen, doch Hisaishi verweist auf einen grundlegenderen Einfluss: Bachs arpeggio-lastige Werke für Violoncello solo.

Es ist nicht das erste Mal, dass Hisaishi für die Bratsche komponiert, ein Instrument, das er für seine Ähnlichkeit mit der menschlichen Stimme lobt. Die Altlage der Bratsche – „nicht zu hoch und nicht zu tief” – stellt jedoch auch eine Herausforderung für den Komponisten dar und macht es „sehr schwierig, sie als Soloinstrument in das Orchester zu integrieren.” Hisaishis Ziel war es, etwas wirklich „Neues und Einzigartiges” zu schaffen.

Hisaishi und die Wiener Symphoniker mit Ashitaka and San aus Princess Mononoke

Hisaishis zwei Alben für Deutsche Grammophon werfen ein Licht auf die beiden Hälften seiner Karriere. Symphonic Celebration von 2023 fungiert als Greatest Hits-Sammlung seiner Arbeit mit Studio Ghibli, einer Zusammenarbeit, die 1984 mit Miyazakis postapokalyptischem Fantasy-Film Nausicaä of the Valley of the Wind begann. Diese Zusammenarbeit, die mit der von Steven Spielberg und John Williams vergleichbar ist, brachte Hisaishi in den letzten drei Jahrzehnten sieben japanische Oscar-Preise ein. Gleichzeitig unterstreicht Joe Hisaishi in Wien, dass seine Originalwerke ebenso viel Anerkennung verdienen. Lebendig, beschwörend und souverän baut das Duo aus Symphonie Nr. 2 und Viola Saga auf jahrzehntelanger Erfahrung auf und demonstriert einen furiosen Sinn für das Leben.

Ich frage ihn, wie er seine kreative Energie inmitten seines hektischen Zeitplans aufrechterhält: „Das ist eigentlich mein größtes Problem!” Hisaishi lacht. Diesen Monat gab er Konzerte in Toronto und Chicago („Hisaishi Conducts Hisaishi”), und im Juli wird er drei Abende im Madison Square Garden dirigieren und symphonische Arrangements seiner Studio Ghibli-Musik aufführen. In der Zwischenzeit promotet er das neue Album und arbeitet an zwei neuen Projekten: einer kommenden Filmmusik und einem neuen Orchesterwerk. „Ich bin also sehr, sehr beschäftigt, und ich würde all diese Dinge gerne schnell loswerden.” Man kann verstehen, warum er sich von der stillen Einsamkeit in Mahlers Hütte so angezogen fühlte.


Jetzt verfügbar auf STAGE+

Erleben Sie Joe Hisaishi am Pult der Wiener Symphoniker bei seinem neuen Konzert Viola Saga, gespielt von Antoine Tamestit, auf STAGE+, dem Streaming-Dienst für klassische Musik von Deutsche Grammophon.

Dieser Artikel wurde gesponsert von Deutsche Grammophon.


Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.