Nachdem viele ambitionierte Feierlichkeiten zu Beethovens 250. Geburtstagsjubiläum 2020 aufgrund der Corona-Maßnahmen ins Wasser fielen, kapriziert sich eine fast genauso große Anzahl an Projekten nun auf den 200. Sterbetag des Komponisten 2027. So führt beispielsweise Beethovenbiograph Jan Caeyers mit seinem Concert Olympique unter Beethoven27 bis übernächstes Jahr 27 Schlüsselwerke Beethovens in 27 EU-Städten auf. Ähnliches unternimmt sein flämischer Kollege Philippe Herreweghe mit seinem Orchestre des Champs-Élysées, der seine neue und seit letztmals 2017 samt kleinen Ausreißern 2019 und 2020 vergrößerte Reihe 2022 mit Christus am Ölberg startete. Dabei kann sich Beethoven nicht über zu wenig Vorkommen im Konzertbetrieb beklagen, zumal 2024 noch die Festivitäten zum 200. Jahrestag der Neunten Symphonie breitflächig begangen wurden. Doch Ehre, wem Ehre gebührt!

Philippe Herreweghe © Michiel Hendryckx
Philippe Herreweghe
© Michiel Hendryckx

Nach jener Neunten Herreweghes und des OCE samt Collegium Vocale Gent sowie Nummer 4 und 7 zum Abschluss der letzten Saison ging es nun mit der Dritten weiter, napoleonisch, im Kopfsatz durch die Referenzen einer Cherubini-Ouvertüre und durch den Zweiten funeral gepaart mit dem Requiem des von Beethoven „verehrten und geliebten“ italienischen Kollegen in Paris. Selbstverständlich wieder mitintoniert vom Collegium Vocale Gent. Abschluss dieses ersten programmatischen Tourteils – zwischendurch von Nummer 5 und 6 unterbrochen –, bevor zweiter Abschnitt im März beginnt und endet, fand dabei in Brüssel statt, dem Wohnort des Dirigenten. Und dort ging er auf dem Bozar-Podest mit einer gefühlten Portion Extra-Motivation ans Werk, bestätigte diese Eroica die seit einiger Zeit angestellte Beobachtung von Herreweghes gewonnener sowie bekömmlicher und ehrlicherweise nötiger Lust an größerer Dramatisierung.

Ging jene mit einer generellen Temposteigerung einher, flankiert von satzimmanenten agogischen Akzentuierungen neben solchen der Streicherbögen, Übergänge und allgemeinen, für die Lebendigkeit essenziellen Phrasierungen und Dynamiken, legte Herreweghe ein außerordentlich besonderes Augenmerk auf die Pauken. In erbarmungsloser, fulminant-flammender Effektgeberei Stefan Gawlicks erreichten ihre Einsätze regelrecht Plaetinck’sche Ausmaße an herrlich hart-knallender, epochaler, schicksalhafter Theatralik. Eine, die das OCE rhythmisch eingeschworen band, dazu die tänzerischen Kontraste verdeutlichte und mit der Herreweghes sonst gewohnt architektonisch klare Ausleuchtung Emotionen und beethovenesk unangepassteres Temperament mit teils wüsten Kanten in Unterstreichung der historischen Instrumente erfuhr. Geriet das Fugato im Marcia funebre daher genauso schön würzig und farbvibrierend wie das Hornterzett im Jagdtrio des Scherzos, gelangten unkonventionell komische Elemente und weiterer Zunder im Finale zu anregender Geltung.

Diese Vorzüge verhalfen auch Cherubinis zugegeben sperrigerem, von Beethoven allerdings für eigene Beerdigung gewünschtem Requiem zu mehr Wirkkraft. War es als Vokalstück freilich zentral von Herreweghe-typisch lichter, würdiger, andächtiger, stilistisch geordneter und im „Pie Jesu“ scholastischer Empfindung getragen, verursachten die sinnvoll perpetuierten Reize der Pauken und des natürlich um unerlässliche Posaunen aufgestockten Blechs, aber auch noch affektbetonter herausgearbeitetes Holz verstärkte Ehrfurcht und Empathie. Schieres Drama entfachten so abermals die – mitunter noch gewaltiger scheinenden – Kessel und Schlägel nach Gawlicks Gong im „Dies irae“, in dem der Chor seine rhetorisch-deklamative Versatilität unter Beweis stellen konnte. Dabei verlor das CVG jedoch – basislogisch für Ausrichtung und qualitative Möglichkeiten – nie seinen vertraut capella-klaren, im „Hostias“ lieblich-warmen Klang, wovon zudem die in rasantem Tempo fortgeführten „Quam olim Abrahae“-Fugen, die schrittig-schluchzenden Sforzati im „Lacrimosa“ oder der schreilose Crescendoboost im „Agnus Dei“ zeugten.

Vor allem bisher bester und konsequentester Beethoven Herreweghes rechtfertigt daher im Vergleich mit seinen vorherigen Interpretationen höchste Zufriedenheitswertung.

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