Wer letztes Jahr bei den Wiener Festwochen Michael Hanekes Così fan tutte gesehen hatte, war beim Verlassen des Theaters ziemlich überzeugt davon, dieses Werk nicht so schnell wieder in einer auch nur annähernd kompetenten Inszenierung zu sehen.

Das liegt einerseits daran, dass Così fan tutte wegen der auf den ersten Blick wenig plausiblen Handlung (zwei tugendsame junge Frauen lassen sich bei einer Treueprobe vom Geliebten der jeweils anderen verführen) als eher spröde Angelegenheit für Regisseure gilt, andererseits an Hanekes Meisterschaft eines Regisseurs, der es als einer der wenigen verstanden hat, das Geniale in da Pontes Libretto nicht nur begreiflich, sondern auch spannend zu machen. Dass nun gerade die Volksoper, welche von den drei Wiener Opernhäusern auf das „leichtere“ Opern-Repertoire, Operette und „klassische“ Musicals spezialisiert ist, eine ebenso intellektuell wie optisch ansprechende Così auf die Bühne gebracht hat, ist die Überraschung dieser Wiener Opernsaison.

Verantwortlich dafür ist Regisseur Bruno Klimek, der zwar etwas vom Weg der Werktreue abkommt, für Puristen vielleicht sogar zu viel des Guten tut, aber immer im Dienst an der Sache steht. Seine Inszenierung basiert auf der nicht neuen Idee des Theaters im Theater, welche aber gerade für Così besonders gut funktioniert: Zum Drahtzieher Don Alfonso passt die Rolle des Regisseurs ausgezeichnet, und noch besser passt die hemdsärmelige Regieassistentin zu Despina, die ihrem Chef gern zu Willen ist. Deren Probe für eine neue Così-Inszenierung kippt ins Reale, und so lässt sich die Mezzosopranistin, die zunächst eine Beziehung mit dem Tenor hat, vom Bariton verführen, und dann bekommt der Tenor des Baritons Sopranistin. So ist es nun einmal unter Künstlern, so geht es auch bei Mozart, auch wenn die handelnden Personen das dann und wann in der Partitur nachlesen müssen. Hin und wieder, und gegen Schluss immer öfter, sind alle nicht nur in Aufruhr, sondern auch von den Erdstößen des Vesuv (wir sind schließlich in Neapel, am Fuße des Vesuvs) zu Boden geworfen, was eine schöne Metapher für die emotionale Erschütterung und eine elegante Lösung für die Umbrüche in Handlung und Musik ist.

Optisch entschied man sich für einen modern-nüchternen Bühnenraum (Hermann Feuchter) in Weiß und Schwarz, in dem bei Bedarf der erwähnte Vulkan als unfertige Kulisse auftaucht, bebt und Feuer spuckt. Üppig sind dagegen die Rokoko-Kostüme (Tanja Liebermann), welche die zunächst in moderner Alltagskleidung antretenden Sänger dem Regiekonzept folgend nach und nach anlegen – je nach emotionaler Befindlichkeit, Verstrickung in die geprobte Oper und Beziehung der Personen untereinander weiß oder schwarz. Diese geradezu mathematischen Überlegungen (welche für den grausamen Menschenversuch Così absolut zulässig sind) führen auch dazu, dass die Personen, welche die Liebespaare bilden, im Gegensatz zu Don Alfonso und Despina wenig Individualität entwickeln, sondern geradezu als Objekte gesehen werden können und so konsequenterweise austauschbar sind.

Eine lebhafte Charakterisierung in jeder Hinsicht nahm hingegen die Dirigentin vor. Julia Jones begleitete ihre Sänger stets umsichtig und setzte mutige, aber stets haargenau passende Akzente, wofür natürlich auch das Volksopernorchester zu loben ist. Besonders gefielen an diesem Abend die Horn-Soli in „Per pietà ben mio“, das von Jessica Muirhead als Fiordiligi auch gut gesungen war, so wie sie alles an ihrer Partie ansprechend gestaltete. Sie führte ein Ensemble junger Künstler an, welche allesamt Rollendebüts an der Volksoper Wien gaben: Manuela Leonhartsberger gab eine stimmlich und darstellerisch gewandte Dorabella, wenngleich sie zu Beginn noch nicht ganz auf der Höhe ihrer Möglichkeiten war.

Als Despina begeisterte Volksoper-Publikumsliebling Anita Götz in jeder Hinsicht und auch Gerald Haumer als kühl berechnender Don Alfonso wusste das Publikum zu überzeugen. Als Guglielmo und Ferrando boten die fixen Ensemble-Mitglieder Yasushi Hirano und JunHo You solide Leistungen, wobei sich letzterer bei „Un' aura amorosa“ etwas mühte, aber das erlebt man auch bei berühmteren Tenören. Die Ensemblenummern gelangen allen tadellos. Dass – wie in der Volksoper üblich – Deutsch gesungen wurde, war im Fall dieser Così überraschenderweise kein Nachteil, sondern ließ das Dramatische in der vorgeblich oberflächlichen Komödie unmittelbar wirken.

Diese Besetzung ist noch bis Mitte Juni zu sehen und zu hören; danach treten wieder die Premierensänger an (Caroline Wenborne, Dshamilja Kaiser, Jörg Schneider, Josef Wagner, Rebecca Nelsen und Mathias Hausmann), allerdings unter dem Dirigat von Wolfram-Maria Märtig. Von dieser Così ist daher noch einiges zu erwarten. Die klug überlegte und visuell ansprechende Inszenierung würde es sich verdienen, im Repertoire gehegt und gepflegt zu werden. 

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