„Freiheit und Würde“ – unter dieser Überschrift stand der Vortrag des Autors und früheren Strafverteidigers Ferdinand von Schirach. Der Vortrag wurde eingerahmt von Beethovens Fidelio-Ouvertüre (1814) und Béla Bartóks Oper Herzog Blaubarts Burg (1918) – eine Ouvertüre zur Oper und dann eine Oper ohne Ouvertüre – mit bestechenden Parallelen.

Das Programm bildete das zweite Konzert der neuen Reihe des WDR Sinfonieorchesters „Musik im Dialog“ und nach einer geradezu unbeschwerten Fidelio-Ouvertüre, die besonders geradlinig und schlank von Jukka-Pekka Saraste dirigiert wurde, folgte der Vortrag des Bestsellerautors. Er sprach von großen historischen Ereignissen und zeichnete einen Abriss der Geschichte der Menschenrechte und wie die „Würde“ es in die Verfassungen und Grundgesetze der westlichen Welt geschafft hat. Er sinnierte über George Washington, dem Gang nach Canossa, zitierte Nick Carraway aus Der große Gatsby und vergaß dabei nicht, auch ein wenig auf die AfD zu schimpfen. Die Zusammenhänge musste sich der Zuhörer selbst erschließen.

Der Abend startete verheißungsvoll und bot spannende Möglichkeiten, mit dem Vortragsthema „Freiheit und Würde“ inhaltlich in einen Dialog zu treten. Dies gelang jedoch nur bedingt, und so wusste zumindest das WDR Sinfonieorchester durch die musikalische Interpretation Bartóks Oper zu überzeugen.

Wie weit geht die Liebe einer Frau? Was tut sie aus Liebe? Und welche Rolle spielt der Freiheitsgedanke dabei? Diese Fragen stehen sowohl bei Beethovens Fidelio als auch bei Bartóks Herzog Blaubarts Burg im Mittelpunkt und bestimmen das Geschehen auf entscheidende Weise. Leonore, die ihren Geliebten aus dem Kerker zu befreien versucht und Judith, die aus Liebe Blaubart in seine Burg und damit in ihr eigenes Unglück folgt, sind düstere, schwermütige Stoffe ganz unterschiedlicher musikalischer Gattung. Bei diesem Konzert bilden sie aber ein stimmiges Nebeneinander.

Der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste schuf ein agiles aber wuchtiges Dirigat. Er arbeitete die unterschiedlichen Klangsphären der sieben Türen und deren Einzigartigkeit präzise heraus. Während sich hinter der ersten Tür die Folterkammer offenbarte, fühlte man geradezu die schneidenden Schmerzen, hervorgerufen durch die spitzen, gellenden Klänge der Xylophone. Kontrastierend dazu eröffnete die vierte Tür mit weiten Gärten, dank virtuoser Harfen und Hörnern eine wunderbare ländliche Idylle. Seine Interpretation war geradezu angriffslustig und so entgegnete ihn das Orchester mit einen klaren, elektrisierenden Klang.

Die Mezzosopranistin Stefanie Irányi interpretierte Judith mit intensiver und emotionaler Expressivität. Trotz klarer Stimme und deutlicher Aussprache konnte sie die fast schon unerträglich laute Wucht des Orchesters nicht überragen. Andreas Bauer Kanabas brillierte mit seiner durchdringenden, reichhaltigen Bassstimme und vereinnahmte auch interpretatorisch trotz konzertanter Aufführung die Rolle des autoritären, nahezu einschüchternden Herzogs.

Bartóks einzige Oper bleibt auch konzertant in ihrer Intensität geradezu markerschütternd. Der Fantasie des Zuschauers ward in der konzertanten Aufführung selbst überlassen, was er sich hinter den Türen der Burg vorstellen mag. Es blieb der rechtmäßige Höhepunkt des Abends, den sich der Vortrag nicht einzunehmen vermochte. Dennoch regte der Abend an, sich mit der Bedeutung von Freiheit und Würde weiter zu beschäftigen – vielleicht auch weiter, als es von Schirach selbst tat.


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