Ein echter Galaabend für das Fürther Konzertpublikum, als eine Kammerformation des La Cetra Barockorchesters aus Basel unter Andrea Marcon, Gründer auch des Venice Baroque Orchestra, Musik des italienischen Hochbarocks aufführte. In ihrer Mitte Magdalena Kožená, in Brünn geborene Gattin des in München wirkenden Chefs des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Sir Simon Rattle, mit dem sie immer wieder Musik von Mozart bis zur Moderne erklingen lässt. Eine langjährige Leidenschaft verbindet sie mit alter Musik, wo sie mit Ensembles wie Il Giardino Armonico konzertierte. Am Vorabend noch waren Marcon und Kožená mit einem Händel-Programm zum Gastkonzert bei den Händel-Festspielen in Halle; beide sind auch Träger des Händel-Preises der Stadt Halle.

Magdalena Kožená © Julia Wesely
Magdalena Kožená
© Julia Wesely

Eine fein komponierte Programmfolge verband zumeist selten zu hörende Stücke; im ersten Teil Werke der italienischen Renaissance um den großen Musikdramatiker Claudio Monteverdi. Da sind es vor allem Arien aus Monteverdis Oper L’incoronazione di Poppea, in denen Kožená als Ottavia brillierte: in einer Deklamation höchster Intensität wirkte ihr dramatischer Sopran leuchtend hell, nie zu dominierend. Auch ohne Bühne schlüpfte sie in den seelischen Zwiespalt der verratenen Kaiserin, drückte in körperlichem Ringen ihre Klage aus, im seufzenden Glissando wie bei scheinbarer Resignation, verhauchend in fast vibratolosem Pianissimo.

Die harmonische Vision der in fallender Linie suggestiv schreitenden Akkorde in Si dolce è’l tormento aus Monteverdis Scherzi zelebrierte sie zurückhaltend, zeigte leuchtende Strahlkraft gerade in tieferer Mezzo-Stimmlage, machte damit den Gefühlsausbruch im Mittelteil umso wirkungsvoller. Wie viel noch bei Monteverdis Zeitgenossen zu entdecken ist, zeigen zwei Werke des 30 Jahre jüngeren Tarquinio Merula: im Liebeslied Folle è ben si crede imponierte Kožená mit weich timbrierter, höchst texttragender Stimme.

Mit delikaten Synkopierungen und tänzerischer Erregung in einer Merula-Sonata beeindruckten die Instrumentalisten von La Cetra: so Germán Chamorro mit vielen Impulsen als Erster Geiger und Sergio Bullido an Barockgitarre und Theorbe. Katya Polin wechselte vergnügt zwischen Block- und Piccoloflöte sowie Viola. Über Dario Castello ist wenig bekannt; seine Sonata XV, im „stile concitato“ notiert, nutzt abrupte Affektwechsel und überraschende harmonische Übergänge. In der theatralischen Musikfolge des Abends wirkte das aufregende Werk durchaus neuartig. Andrea Marcon leitete voller Übersicht und sichtlich entspannt vom Cembalo aus, Blicke und Kopfbewegungen reichten aus für lockeres rhythmisches wie melodisches Musizieren.

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La Cetra Barockorchester Basel
© Martin Chiang

So auch in Händels Chaconne aus dem Ballett Terpsichore, dessen Dreiertakt und ostinate Basslinie genüsslich ausgekostet wurden. Händel und Vivaldi im zweiten Teil: und wieder sind die wenig bekannten Auszüge aus Opern des Venezianers kostbare Fundstücke. Im sehnsuchtsvollen Larghetto „Vedrò con mio diletto” gab Kožená dem eifersüchtigen Kaiser Anastasio aus dem Bühnenwerk Giustino ihre seelenvoll klagende Stimme. Überraschende Wiedererkennung des Winters seiner Jahreszeiten in der furiosen Arie „Gelido in ogni vena” seiner Oper Farnace: erregtes Brodeln der Continuo-Gruppe, das die Verzweiflung des Titelhelden über den Tod seines Sohnes besang, dann Magdalena Kožená in festem Legato, das sich in grandioser Gestaltung durch hinreißende Koloratur beim Zeichnen väterlicher Tragik steigerte. In einem Auszug aus La verità in cimento schraubte sich die Piccoloflöte mit der Wendigkeit einer Lerche in die Luft, lächelnd folgte ihr Kožená beim Spaß in leicht ausschwingende Sopranhöhen.

Nach so viel musiziertem Schicksalsleid ließ Händel in „Dopo notte, atra e funesta” seiner Oper Ariodante die Sonne wieder scheinen, heitere D-Dur-Klänge führen in frohsinnig blitzende Oktavsprünge und Spitzentöne und eine herausfahrende Schlusskadenz des faszinierenden Strausses barocker Sehnsuchtsarien.

Langer herzlicher Applaus für ein Programm seltener musikalischer Pretiosen, das erstmals in dieser Folge erklang, wie Marcon nach dem Konzert erzählte. Mit einem Auszug aus Vivaldis Oper La fida ninfa bedankten sich die Künstler ebenso wie mit einem traumhaften Händel-Schmankerl par excellence: „Lascia ch’io pianga” aus Rinaldo.

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