Premieren sind eine spannende Sache. Vor allem dann, wenn sich wie im vorliegenden Fall im Amsterdamer Muziekgebouw das Aufführungsdatum (durch Corona) immer wieder verschiebt. Auch wenn man sich noch so gut darauf vorbereitet – Erfolg und Scheitern gehören immer zu den Möglichkeiten.
Das Konzept für die Premiere von Isabella der australischen Komponistin Kate Moore war eigentlich eine sichere Sache. Die 13 überlieferten Gedichte der Renaissancedichterin Isabella di Morra bilden eine interessante textuelle Basis für ein Musikstück über das traurige Schicksal einer italienischen Adligen aus dem 16. Jahrhundert. Moore hatte in monatelanger Recherche herausgefunden, dass die historischen Fakten zu dürftig ist, um zweifelsfrei die Geschehnisse rund Isabellas Ermordung rekonstruieren zu können. Mit dieser Erkenntnis blieben für Moore einzig die Gedichte als wirklich authentische Quelle und so entwarf sie statt einer Oper einen groß angelegten Liederzyklus.
Sie verteilte die Di Morra Gedichte auf zwei Ensembles: das Scordatura Ensemble vertonte im ersten Teil Lamento die zehn Sonette, Ensemble Herz die drei späteren Canzones. Moore komponierte dazu noch als Introitus eine Suite für Harfe Solo und ließ den zweiten Teil des Konzerts mit einem Interlude beginnen.
Moores Komposition ist stark von der amerikanischen Minimal Music beeinflusst. Die einleitende Isabella Suite – gespielt von Maximilian Ehrhard – seziert einen immer gleichen Tonvorrat auf sehr melodische Weise und brachte das Publikum in eine für diese Musik typische Trance. Ehrhardt spielte überzeugend mit Akzentverschiebungen und brachte mit der dynamischen Hervorhebung verschiedener Stimmen sehr geschickt Kontur in die rhythmisch verschlungenen Melodielinien.
Der Höhepunkt des Konzerts folgte im anschließenden Auftritt des Scordatura Ensembles. Es wurde 2006 ins Leben gerufen, um das Werk des amerikanischen Komponisten Harry Partch aufzuführen. Partch, den u.a. Ligeti sehr verehrte, hatte auf der Suche nach reinen Intervallen jenseits der temperierten Stimmung ein Tonsystem entwickelt, das die Oktave in 43 Tonschritte (statt der herkömmlichen 12) unterteilt. Für die Aufführung seiner oft sehr persönlichen Kompositionen hatte er eine Vielzahl an Instrumente selbst gebaut. Vor allem die Bass Marimba und die Adapted Viola, eine Bratsche mit verlängertem Hals, das Chromelodeon und die Harmonic Canon sind Blickfänger. Mezzosopran Alfrun Schmid spielte selbst auch verschiedene Instrumente, wovon die Cloud-Chamber Bowl, eine klingende Glaskugel, am meisten beeindruckte. Sie sang die altitalienischen Verse mit denen Di Morra ihr unglückliches Leben beschrieb mit viel Einfühlungsvermögen. Bei Übergängen in tiefere Register war ihre Stimme dagegen auffallend kalt.
Die sechs Musiker, die sich an den verschiedenen Instrumenten auch abwechselten, ließen die zwölf Sätze des Lamento nahtlos ineinander übergehen und erzeugten dadurch eine bilderbuchartige vorbarocke Spannung. Moores Wahl von Partch Instrumenten ist schon deswegen stimmig, da zu Isabellas Zeit nur rein musiziert werden konnte. Die temperierte Stimmung wurde erst 140 Jahre später eingeführt.
Countertenor Kasper Kröner sang nach der Pause zwei Canzoni auf Texte von Franz von Assisi, die im Stil nahtlos anschließen an Isabellas Lieder im zweiten Teil. Dieser „Interludium” getitelte Programmteil war allerdings eine erst 2021 geschriebene Auftragskomposition.
Das Herz Ensemble spielte zum Abschluss zusammen mit dem Vokalensemble Wishful Singing die übrigen drei Di Morra Vertonungen gemeinsam mit einer Ouvertüre. Leider war die Abstimmung der allesamt elektronisch verstärkten Instrumente hier total aus der Balance. Die Texte waren dadurch nicht mehr zu verstehen, auch die meisten Klaviertöne gingen im bass-lastigen Saalsound unter. Zu allem Überfluss konnten die ohne Dirigenten spielenden Ensemblemitglieder auch rhythmisch nicht überzeugen. So endete eine vielversprechende mehrmals verschobene Uraufführung leider in einem ärgerlich undurchsichtigem Klangchaos.