Der moderne klassische Konzertbetrieb neigt dazu, die gleichen Stücke mit den gleichen Künstlern immer wieder in die Konzertsäle zu bringen. Warum sollte man auch erfolgreiche „Blockbuster“ und Erfolgsgaranten von Bach, Beethoven und Brahms und Künstlerpersönlichkeiten mit Wiedererkennungswert gegen unbekanntere Werke und Interpreten austauschen, die vielleicht nicht so viele Zuhörer an die Abendkasse locken? Umso erfreulicher ist es, wenn Ensembles wie die Münchner Symphoniker sowohl selten gehörte Werke als auch junge Solisten einem breiteren Publikum zu Gehör bringen, und das mit großem Erfolg! So auch am Nachmittag des 19. April, an dem die Symphoniker dem verwöhnten Münchner Publikum gleich zwei Debüts bescherten.
Der in Israel geborene Dirigent Ariel Zuckermann präsentierte sein schnörkelloses und dynamisches Dirigat zum ersten Mal in der bayerischen Landeshauptstadt; die Stücke waren allesamt hervorragend einstudiert. Bis auf kurze Wackler ganz zu Beginn und fehlende Synchronität in einigen Abschnitten und vor allem im Trio des Menuetts der abschließenden Haydn-Symphonie Nr. 83 hatte Zuckermann das Orchester stets bestens im Griff.
Die Symphonie in c-Moll von Joseph Martin Kraus , mit welcher der Konzertnachmittag begann, ist völlig zu Unrecht allenfalls Liebhabern klassischer Musik ein Begriff. Spätestens wenn man eben jene c-Moll-Symphonie hört und genießt, kann man nachvollziehen, warum der große Haydn noch Jahre nach Kraus' Tod urteilte: „Die Sinfonie aus c-Moll, die er [Kraus] hier in Wien besonders für mich schrieb, ist ein Werk, welches in allen Jahrhunderten als ein Meisterwerk gelten wird, und glauben Sie mir, es gibt wenige, die ein ähnliches Werk schreiben können." Die Münchner Symphoniker musizierten frisch und unverzagt und erfreuten sich und den Zuhörer an den abwechslungsreichen Akzentuierungen und dynamischen Wendungen, die Zuckermann mit Ihnen erarbeitet hatte. Wenn man allerdings der historischen Aufführungspraxis folgend ganze Passagen gänzlich ohne Vibrato spielt, dann sollte der Ton etwas präsenter intoniert werden, sonst gerät der Streicherklang auf modernen Stahlsaiten gelegentlich fahl und flach.
Es folgte das Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur Op.6 von Nicolò Paganini . Der chinesische Nachwuchsgeiger Ning Feng übernahm den halsbrecherischen Solopart und reüssierte mit Bravour! Bereits in den einleitenden Solopassagen stürzte er sich in die artistischen Intervallspreizungen über mehrere Oktaven, die feuerspeienden Läufe und Arpeggi und wirbelte auf seiner Violine derart ungestüm herum, als ob er einen wilden Tiger mit bloßen Händen bändigte. Ein technischer Salto Mortale folgte dem nächsten, eine strichtechnische Pirouette der anderen, ohne Netz und doppelten Boden. Feng nahm höchstes Risiko, warf den Arm in die Luft, grub den Bogen in die Saiten, ließ die Finger die G-Saite hinaufflitzen. Den Zuschauern stockte der Atem: Wie würde es klingen, dort im ewigen Kolofonium? Und es gelang, perfekt, ein um das andere Mal!