Ohad Naharin ist ein israelischer Tänzer und Choreograph. Mit der durch ihn entwickelten Bewegungssprache Gaga, bereicherte und revolutionierte er den Bereich der Bewegungspraxis für sowohl professionelle als auch nichtprofessionelle Tänzer auf der ganzen Welt. Oft nutzt er die in seiner Jugend genossene musikalische Ausbildung, um die Wirkung seiner Choreographien zu verstärken (und komponiert dazu unter dem Pseudonym Maxim Waratt). Für The Hole war er darüber hinaus auch für die Bearbeitung und Abmischung der Tonspuren verantwortlich.

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The Hole
© Rahi Rezvani

Ursprünglich war es nie beabsichtigt, dass The Hole, das Naharin 2013 für die Batsheva Dance Company choreographierte, außerhalb von Tel Aviv aufgeführt werden sollte: „Als ich The Hole kreierte, sagte ich meinem Team, es solle sich auf ein Werk vorbereiten, das nie auf Tournee gehen würde, das unser Studio (wo wir es aufführten) nie verlassen würde”.

The Hole erfordert nämlich eine komplette Umgestaltung des Raums mit einer erhöhten Bühne in der Mitte, erhöhten Wänden hinter dem Publikum und einem von der Decke hängenden Metallgitter, auf das die Tänzer klettern und an dem sie hängen und sogar schaukeln. Nachdem für eine erste Vorstellungsreihe im Rahmen des Holland Festivals 2018 die originalen Bühnenteile (Design: Zohar Shoef) aus Israel kommen mussten, haben die Techniker des NDT für die diesjährige Wiederaufnahme in Den Haag diese beeindruckend extravagante Bühne in der hauseigenen Black Box mit erheblichem Aufwand (neue Stromanschlüsse für u.a. 240 Lampen, 7500 kg Metall im Dach, 1200 m Latten für die Außenwände) nachgebaut.

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The Hole
© Rahi Rezvani

Naharins Choreographie spielt auf, vor, unter und über dieser acht-eckigen in der Mitte des Raums platzierten Bühne. Die geschmeidig-prägnanten Bewegungsabläufe der 9 männlichen Tänzer, die sie ständig in wechselnden Richtungen wiederholen, erinnern an die Schnitte und Perspektivenwechsel im Film. Dazu kommt, dass die Zuschauer in zwei Reihen sehr dicht rund um die Bühne sitzen, nicht einmal 1,5 Meter von den Tänzern entfernt. Hinter dem Publikum gibt es dazu einen schmalen erhöhten Laufsteg, auf dem in der gestrigen Premiere neun NDT-Tänzerinnen auf engstem Raum gegen die Wände gedrückt hin- und herwirbelten.

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The Hole
© Rahi Rezvani

Zu Beginn der Vorstellung fühlte man sich fast wie in einer Peepshow, als die Tänzer lasziv auf der Seite liegend, den Kopf in die Hand gestützt provozierend ins Publikum starrten. Die Blickkontakte aus kurzer Distanz fühlten sich wie feine Messerstiche an, aus deren Hypnose man erst durch ein überraschend lautes Aufstampfen geschreckt wurde. Wie Raubtiere bewegten sich danach die Tänzer wieder im Kreis, um sich an einem anderen Platz aufs Neue mit gefährlich-gefräßigem Blicke dem Publikum zuzuwenden.

The Hole ist eine Mischung aus trance-induzierendem Beschwörungsritual und ekstatischer Teufelsaustreibung, die alles von den Tänzern abverlangt, um deren Unversehrtheit einem Angst und bange werden konnte, ob der Härte und Wildheit, mit der hier männliche Kraft gefeiert wurde. In den nacheinander in der Bühnenmitte getanzten Soli war aber glücklicherweise auch Platz für Eleganz in jeweils individuell stark unterschiedliche Bewegungsnuancen, neben atemberaubender Körperbeherrschung und selbst Akrobatik.

<i>The Hole</i> &copy; Rahi Rezvani
The Hole
© Rahi Rezvani

Naharin: „Wenn ich gefragt werde, worum es in The Hole geht, lautet meine erste Antwort, dass es in dem Werk um sich selbst geht; darum, wie alle Elemente zusammenkommen, um eine kollektive Erzählung über den flüchtigen Wahnsinn, die Leidenschaft und die Fantasie eines jeden Tänzers zu schaffen. (...) The Hole lädt dazu ein, Teil eines besonderen Raums mit seinen eigenen Codes zu sein.”

Mit aus dem Bühnenhimmel regnenden Knallerbsen und genießerisch-rhythmisch über den Köpfen des Publikums schaukelnden Tänzern endete ein ungemein intimer und enervierender Tanzabend zum krönenden Saisonabschluss.

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