Anneleen Lenaerts ist seit 2010 Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker, ist regelmäßig solistisch mit den wichtigsten Orchester der Welt unterwegs, unterrichtet und hat 2019 den Opus Klassik Award für ihr Nino Rota-Album mit Emmanuel Pahud und den Brüsseler Philharmonikern gewonnen – kurz, wir hätten uns keine bessere Gastkuratorin für unsere Harfen-Playlist wünschen können. Mit ihrer Erfahrung im Orchester, der Kammermusik und im Orchestergraben der Wiener Staatsoper gibt sie uns einen virtuosen Überblick über die Möglichkeiten dieses wunderbaren Instruments.

Anneleen Lenaerts © Andrej Grilc
Anneleen Lenaerts
© Andrej Grilc

1 Reinhold Glière: Harfenkonzert Es-Dur, Op.74

Eines der wichtigsten Harfenkonzerte in unserem Repertoire ist das von Reinhold Glière. Es ist sehr virtuos und technisch auf jeden Fall das herausforderndste Konzert, zeigt die Harfe aber auch in all ihren lyrischen Facetten und Klangfarben. Glière hat für sein Konzert eng mit der Harfenistin Ksenia Erdely zusammengearbeitet, daher ist sein Konzert auch wunderbar für das Instrument geschrieben. Es ist immer eine Freude es zu spielen. 


2 Maurice Ravel: Introduction et Allegro

Ravels Introduction et Allegro ist für mich eines der schönsten Kammermusikwerke, das jemals für Harfe und überhaupt geschrieben wurde. Es ist zart, poetisch, lyrisch und hat so einen wunderbaren Aufbau, dass man am Schluss nur noch tanzen möchte. Eine wunderbare Kombination zwischen Harfe, Streichquartett, Klarinette und Flöte.

 

3 W. A. Mozart: Konzert für Flöte, Harfe und Orchester C-Dur, KV299

Leider ist das Konzert für Flöte, Harfe und Orchester das einzige Werk, das Mozart für die Harfe geschrieben hat. Damals war die Harfe noch nicht so entwickelt wie heute, wo wir ein Doppelpedalsystem haben und dadurch mehr chromatische Möglichkeiten. Hätte er die Harfe gekannt, wie sie heute existiert, wäre es spannend gewesen, wenn er in Kenntnis der neuen technischen Möglichkeiten noch ein Werk geschrieben hätte. Auf jeden Fall ein wunderbares Werk in unserem Repertoire.

  

4 Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 cis-Moll: Adagietto

Gustav Mahler hat in seinen Symphonien eine ganz eigene Sprache für die Harfe entwickelt und wusste immer ganz genau, wann und wo er sie für eine ganz bestimmte Klangfarbe einsetzen wollte. Am schönsten ist natürlich das Adagietto aus der Fünften Symphonie.

 

5 Anton Bruckner: Symphonie Nr. 8 c-Moll, WAB 108

Bruckner hat die Harfe in seinen Symphonien nur einmal eingesetzt, aber es ist für mich eine der schönsten Stellen in der Literatur. Allerdings ist sie nicht leicht zu spielen, wenn man fast eine halbe Stunde auf der Bühne im Orchester gesessen und nicht gespielt hat und dann solistisch einsetzen muss. Umgeben zu werden von der Klangpracht und dem Vibrato der Streicher, ist jedoch eine unglaubliche Erfahrung auf der Bühne. 

Hier ist ein Probeneinblick der Wiener Philharmoniker.


6 Giacomo Puccini: „Vissi d'arte” (Tosca) und „O mio babbino caro” (Gianni Schicchi)

Genau wie Mahler hat Puccini die Harfe auch immer eine ganz eigene, besondere Rolle gegeben. Ob Bohème, Tosca, Gianni Schicchi... immer gibt es wunderbare Stellen für die Harfe. Zwei der schönsten, wo die Harfe begleitet, sind „Vissi d'arte” aus Tosca oder „O mio babbino caro” aus Gianni Schicchi.

 

7 Hector Berlioz: Symphonie fantastique

Noch eine der berühmtesten aber auch meist gefürchteten Orchester- (und Probespiel-)stellen ist „Un Bal” aus der Symphonie fantastique von Hector Berlioz. Ähnlich wie bei Bruckners Achten sitzt man lange Zeit auf der Bühne bevor man die Stelle, die recht heikel ist, spielen muss. Danach kann man wieder vom dritten bis zum fünften Satz entspannen und zuhören.

Hier ist ein Probeneinblick der Wiener Philharmoniker.


8 Camille Saint-Saëns: Fantaisie für Harfe und Violine, Op.124

Ein sehr schönes originales Kammermusikstück ist die Fantaisie für Harfe und Violine von Camille Saint-Saëns. Sehr virtuos für beide Instrumente und das Werk zeigt viele verschiedene Facetten: melancholisch, dramatisch, lieblich, feurig, spielerisch.

 

9 Gabriel Fauré: Une châtelaine en sa tour, Op.110

Fauré hat zwei Werke für Harfe geschrieben – das Impromptu (es wird vermutet, dass Fauré, um das Werk fertigzustellen, Hilfe vom Harfenisten Alphonse Jean Hasselmans hatte) und Une Châtelaine en sa tour, das auf einem Gedicht von Paul Verlaine basiert. Es ist ein kleines, feines Werk mit unglaublich langen lyrischen Bögen, unterstützt von ganz spannenden, aber subtilen Harmoniewechseln – eine Herausforderung für die Pedal-Arbeit, die für die chromatischen Wechsel erforderlich sind. Man muss also immer harmonisch einen Schritt vorausdenken, um es zeitlich zu schaffen, aber ein unglaublich schönes, delikates Werk.


10 Peter Iljitsch Tschaikowsky: Der Nussknacker und Schwanensee

Noch ein ganz wichtiger Komponist ist Tschaikowsky, der die Harfe mit wunderbaren Kadenzen in seinen Balletten Nussknacker oder Schwanensee oft eingesetzt hat. Ganz berühmt ist natürlich der Blumenwalzer aus Nussknacker.