Wirft man einen Blick auf das Programm des Hong Kong Arts Festivals 2017, fällt sofort die Qualität der Künstler auf. Nicht, dass jeder ein internationaler Superstar ist, wenngleich Vadim Repin, Piotr Anderszewski und ein paar andere in diese Kategorie fallen. Es ist vielmehr eine Reihe von Künstlern und Ensembles, die in jeder spezifischen Art von Musik, Tanz oder Theater führende Rollen einnehmen – und das Festival beinhaltet eine breite Auswahl an musikalischen Formen.
Sie mögen tschechische Oper? Sehen Sie sich Leoš Janáčeks Der Fall Makropulos an, vorgestellt von der nach Janáček benannten Opernkompanie aus seiner Geburtsstadt Brno (Brünn) zusammen mit der absoluten Spitze tschechischer Sänger. Klassisches Ballett? Das Bayerische Staatsballett gibt fünf Vorstellungen des allseits beliebten La Bayadère. Etwas modernerer Tanz? Versuchen Sie es mit Pina Bauschs Tanztheater Wuppertal, das zwei Beispiele ihrer großartigen Arbeit tanzt: Café Müller und The Rite of String. Die österreichischen Meister Mozart und Haydn? Wer böte sich eher an als die Camerata Salzburg. Griegs Peer Gynt? Das Philharmonische Orchester Oslo natürlich.
Wie erwartet gibt es auch viel einheimisches Talent aus Hongkong zu sehen. Die Hong Kong Sinfonietta spielt Ravel and Schostakowitsch. Countertenor Chan Ka-Bo, der nun in Estland lebt, kehrt für zwei vielversprechende Konzerte in der ruhigen Umgebung des klassischen chinesischen Nan Lian-Gartens an seinen Geburtsort zurück: eines mit Alter Musik (und Favoriten wie Monteverdis Si dolce è’l tormento und Dowlands Music for a While), das andere mit Werken der Romantik und der Moderne. Die größte Veranstaltung mit starkem chinesischem Akzent ist eine atemberaubend inszenierte Koproduktion des Festivals und der Oper San Francisco: am 17. und 18. März spielt das Philharmonische Orchester Hongkong Bright Shengs Dream of the Red Chamber, eine Oper, die auf Cao Xueqins literarischem Klassiker beruht. Daneben gibt es auch zwei authentische chinesische Opern, die „Kun-Oper” Blossoms on a Spring Moonlit Night und die des kantonesischen Kaisers Wu of Han and his Jester Strategist. Für das ganze Spektrum lokalen Talents machen Sie sich am besten auf die vom Jockey Club angebotene Hongkong Odyssey, einen Abend mit Lied, Musik und Dichtung über Hongkong, zusammengestellt von Hongkonger Künstlern und Komponisten.
Wenn Ihr Musikgeschmack Sie zwar nach Osten, aber nicht ganz so weit nach Osten zieht, sollten Sie das Eröffnungskonzert nicht verpassen, bei dem das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra Rimsky-Korsakows Scheherazade sowie James MacMillans Violinkonzert spielt. Vadim Repin, für den das Konzert komponiert wurde, spielt das Solo. Ein zweites Konzert am darauffolgenden Abend bietet mehr orientalistische Werke mit Mily Balakirevs Phantasie Islamey und Ottorino Respighis Belkis, Königin von Saba.
Neben Vorstellungen der Sache Makropulos gibt die Janáček Oper auch zwei Konzerte mit tschechischer Musik. Das erste am 26. Februar verspricht Dvořáks Stabat Mater, eine lebensbejahende, zehnteilige Kantate, von der man annimmt, sie sei die Antwort des Komponisten auf den Tod dreier seiner Kinder. Im zweiten Konzert am 28. Februar sind zwei von Janáčeks beliebtesten Werken geboten: die kriegerische Sinfonietta mit ihrer enormen eröffnenden Blechbläserfanfare, und die immense Glagolitische Messe. Das Philharmonische Orchester Oslo und Vasily Petrenko spielen zwei Konzerte mit überwiegend skandinavischer und russischer Musik, und der viel gerühmte Cellist Truls Mørk stößt für Konzerte von Schostakowitsch und Elgar hinzu. Louis Langrée und das Cincinnati Symphony Orchestra vervollständigen die orchestrale Besetzung.
Freunde der Kammermusik kommen bei dem in Taiwan geborenen Violinisten Ray Chen auf ihre Kosten, der ein Recital mit Sonaten von Beethoven, Saint-Saëns und Ysaÿe spielt, sowie bei dem großartigen russischen Oistrakh Quartett. Fans der Alten Musik hingegen sei Rinaldo Alessandrini und das Concerto Italiano mit einer Aufführung von Monteverdis Vespern aus 1610 empfohlen.
Wie zuvor beim Hong Kong Arts Festival gibt es auch in diesem Jahr viel zeitgenössischen Tanz zu sehen. Neben Pina Bausch zählen Les Ballets Jazz de Montréal und Stepptänzerin/Choreographin Michelle Dorrance zu den spannenden künstlerischen Besuchern. Noch mehr Tanz gibt es in der Hong Kong Jockey Club Contemporary Dance Series, die bereits zum sechsten Mal stattfindet.
Steht Ihnen der Sinn nach Eklektischem, wird das Festival Sie nicht unbefriedigt lassen. Der 18. und 19. März, die letzten beiden Festivaltage, stehen unter dem Motto „World Music Weekend“: die afrikanische Kora, ein 21-saitiges Instrument, dessen Klang als „irgendwo zwischen Harfe und Delta-Bluesgitarre“ beschrieben wird, erklingt in den Händen des aus Mali stammenden Virtuosen Ballaké Sissoko; Maria Berasarte bietet portugiesischen Fado (ungewöhnlicherweise auf Spanisch), und Kudsi Erguner spielt ottomanische und Sufi-Musik. Emir Kusturica and The No Smoking Orchestra schließlich versprechen eine „Kollision von Gypsy Punk Rock und Balkan Folk“.
Der vielleicht ungewöhnlichste Programmpunkt von allen, zumindest für diejenigen, die sich an 1969 erinnern, ist „Gainsbourg Symphonic“, in dem Jane Birkin des 25. Jahrestages von Serge Gainsbourgs vorzeitigem Tod mit einem Konzert für volles Orchester gedenkt – in diesem Falle die Philharmoniker Hongkong. Für das Publikum am anderen Ende des Zeitstrahls kommt das Videospiel Tetris mit einer Choreographie von Erik Kaiel auf die Bühne.
Diese Vorschau entstand im Auftrag des Hong Kong Arts Festival.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.