Besser als jede andere unter Richard Strauss‘ frühen Opern funktioniert die überarbeitete Fassung von Ariadne auf Naxos auch im Konzertsaal. Im Gegensatz zu den 100 Mann starken Orchestern in Salome und Elektra bedarf es hier lediglich 35 Musikern, was es den Sängern erleichtert, gehört zu werden, wenn Sie sich zusammen mit den Instrumentalisten auf einer Bühne befinden. Außerdem ist sie, wie das spätere Capriccio, eine Oper über Oper (auch Meta-Oper genannt): der Prolog wirft einen Blick hinter die Szenen der Intrigen und Gefahren, die die eigentliche Oper in der zweiten, längeren Konzerthälfte formen. Den Prozess des Musizierens dem öffentlichen Auge zugänglich zu machen, indem die Musiker aus dem Graben entlassen werden, passt hier absolut ins Bild. Strauss und Hofmannsthal haben diese Möglichkeit in einer frühen Phase tatsächlich auch selbst in Erwägung gezogen,obgleich sie sich später für den konventionellen Weg entschieden haben.

Nichtsdestotrotz waren mit der konzertanten Version der Deutschen Oper in der Philharmonie auch einige Einbußen verbunden, allem voran wurde ohne körperliche Aktion die Komödie etwas gedämpft. Thomas Blondelles Tanzmeister war einer der wenigen, die den Humour ihrer Figur einzufangen vermochten, doch leider tritt er nur im kürzeren Prolog auf. Einige der komischen Momente allerdings entstehen auch dadurch, dass wir erkennen, dass Strauss gelegentlich auch seine ernsten Charaktere auf den Arm nimmt. Der idealistische Komponist, beispielsweise, der sich kaum stärker vom pragmatischen Strauss unterscheiden könnte, wird gelegentlich liebevoll zur Witzfigur gemacht, obwohl ihm das unsere Sympathien nicht entziehen soll. Diese Hosenrolle wurde von Daniela Sindram gespielt, die dafür die größten Ovationen des Abends bekam. Sie spielte eine leidenschaftliche Figur, obwohl ihre Stimme für meinen Geschmack ein wenig tuntig war. Von den Figuren, die ausschließlich im Prolog auftraten, wäre ein stärker charakterisierter Haushofmeister – eine Sprechrolle, gespielt von Franz Mazura - schön gewesen; Markus Brünck gelang der Musiklehrer gut. Die Sänger kamen und gingen zu und von ihren Positionen, mal am Bühnenrand, mal auf Podesten hinter den Musikern; bei manchen beeinflusste das ihre Hörbarkeit.

Meagan Miller in der Titelrolle war kurzfristig für Anja Harteros eingesprungen, und sie spielte mit Wärme und Würde. Ihr Solo „Es gibt ein Reich“ begann weniger legato als ich es gewohnt bin (hier offensichtlich eine direkte Reaktion auf die Artikulation des Orchesters), doch bei „Du wirst mich befreien“ blühte es auf in die erwartete, prächtige lyrische Führung. Stefan Vinkes Bacchus war da problematischer: in hoher Lage klang er gedrückt und nervös, und obwohl sich das im Laufe dieser anspruchsvollen Szene besserte, klang er doch nie als fühle er sich damit wirklich wohl.

Susanne Elmark besaß die stimmliche Flexibilität, die man für Zerbinettas anspruchsvolle Koloraturen braucht, und ihre große Nummer „Großmächtige Prinzessin“ brachte ihr verständlichen Szenenapplaus ein. Das wog auch auf, dass sie im Prolog oft unhörbar war, wofür ein Teil der Verantwortung sicherlich beim Dirigenten liegt. Sie versuchte, die neckische Unbeständigkeit ihrer Figur umzusetzen, doch sie wechselte dabei ihre Position auf der Bühne oft, während sie sang (sie wandte uns sogar ein paar Mal den Rücken zu), was sich auf ihren Klang auswirkte.

Das Trio der drei Nymphen Naiade, Dryade und Echo hatten sehr unterschiedliche Stimmen, waren im Zusammenklang aber sehr schön und stimmig: als Naiade schenkte uns die wandlungsfähige Siobhan Stagg einige wundervoll flüßige Läufe in hoher Lage, gestützt von soliden Leistungen von Ronita Miller (Dryade) und Elena Tsallagova (Echo). Besonders schön war später ihr Terzett „Ein schönes Wunder“. Das Männerquartett der Commedia dell’Arte-Figuren war gleichermaßen gut, und besonders der hohe Tenor von Paul Kaufmann (Brighella) und Tobias Kehrers Bass (Truffaldino) hoben sich positiv ab. Carlton Ford als Harlekin brachte gute Soli, beispielsweise in „Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen“ (eine Passage, die von Normal Del Mar passend als aufgepeppten Klassizimus beschrieben wurde), doch im Quartett ging er großteils unter.

Das Orchester spielte in der Ouvertüre zur eigentlichen Oper besonders gut, obwohl es andernorts einige intonatorisch säuerliche Momente gab, und die Interpretation im Ganzen weniger funkelnd klang, sondern eher so, als ginge man damit auf Nummer sicher. Die Sitzordnung der Musiker war interessant, denn alle Streicher saßen links, die Bläser rechts, was es uns erlaubte, die beiden Gruppen als separate, homogene Einheiten wahrzunehmen. Ulf Schirmer leitete die Musiker effizient und wurde sogar von den Sängern hinter ihm deutlich gesehen, auch wenn er sich einmal ein wenig umdrehte und Millers Tempo etwas anschob. Dies war ein Abend, an dem vieles gut gemacht wurde, der jedoch eher den Eindruck eines Appetithäppchen als einer vollen Mahlzeit machte.

Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck

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