„Eine Koroduktion mit der Metropolitan Opera“: fünf Worte, die erklären, warum Calixto Bieitos Neuinszenierung von Verdis La forza del destino für die English National Opera – für ihn – eine zahme Angelegenheit ist. Bieito, der nicht weit von Guernica aufgewachsen ist, siedelt die Handlung (recht schlüssig) im spanischen Bürgerkrieg an. Die Opernantwort auf Quentin Tarantino bietet eine grimmige, graue Lesart, die in New York wahrscheinlich nicht zu viele Zuschauer verärgern wird. Starke musikalische Leistungen bringen die Geschehnisse in Gang, doch ein Großteil des Abends war aus dramatischer Sicht träge.
Ein Dolch wirft den Schatten eines Kreuzes auf das Deckblatt des Programms. In der Oper sucht Leonora Zuflucht im der Religion, nachdem ihr Geliebter versehentlich ihren Vater erschießt, als der sie beim Durchbrennen ertappt. Sie meidet ihren rachedurstigen Bruder und erreicht das Kloster. Im Spanien unter Franco jedoch bietet die Kirche keinen Trost, nur Ketten und eine Dornenkrone aus Stacheldraht, mit der sich Leonora im vierten Akt schließlich erdrosselt – Bieito versagt seiner Heldin die Erlösung.
Abgesehen von ein paar Spanien-Flaggen ist Rebecca Ringsts Bühnenbild farbleer; weiße Fassaden drehen und kippen und dienen als Projektionsfläche für Videos mit Kriegsbildern. Das kurze Vorspiel der ursprünglichen St. Petersburger Fassung von 1862 enthält uns die übliche Ouvertüre vor und wirft uns direkt in die Geschehnisse. Werfen ist hier jedoch etwas übertrieben, denn die Bühnenhandlung ist stark eingeschränkt, geprägt von einem beständigen Mangel an Kontakt zwischen den beiden Hauptrollen. Der Marquis von Calatrava und seine Tochter sehen einander nie an – diese Familie ist bereits zerrissen. Schädigender noch ist der Mangel an lebensrettender Handlung im dritten Akt. Alvaro rettet Carlo nicht vor seinen vermeintlichen Mördern und der off-stage-Kampf, in dem Carlo seine Schuld begleicht, zeigt beide Figuren wie angewurzelt einige Schritte auseinander stehen. Der Arzt erstellt seine Diagnose des verletzten Alvaro aus der Ferne.
Bieito hilft seinen Sängern nicht. Vor ihrer geplanten Flucht singen Leonora und Alvaro einander über den Esstisch hinweg an, nicht ins Auditorium. Alvaro beginnt seine Arie, als er sich halb durch einen Fensterrahmen in einer gekippten Fassade gezwängt hat, und das Lied des armen Don Carlo, in dem er vorgibt, ein Student zu sein, geht im Geräusch dessen unter, dass Seiten aus Büchern gewissen werden (vermutlich ein Bezug zur Bücherverbrennung unter Franco).
In Bieitos Händen jedoch ist die Darstellung der Unmenschlichkeit des Krieges vielsagend. Das zentrale Tableau in Akt III (die Szene, die auf Schillers Wallensteins Lager basiert) zeigt Soldaten, die verhungernde Flüchtlinge verhöhnen und Rinat Shahams streitlustige Preziosilla – eher gefährliche Fanatikerin als Zigeunerin –, die vor dem stilisierten Ritual des Erschießens von Kriegsgefangenen in „Rataplan“ auf eine schwangere Frau eintritt. Ausnahmsweise scheint Fra Melitones Ausbruch gegen die schändlichen Ereignisse absolut gerechtfertigt. Andrew Shore spielte den jähzornigen Mönch auf vollkommene Art und Weise und donnerte in seiner Verzweiflung seinen „mildtätigen“ Haferschleim zu Boden.
Die Sänger meistern die Herausforderung auf bewundernswerte Weise. Tamara Wilson machte in ihrem UK-Debüt großen Eindruck. Ihre Stimme, ein enormer Spinto, setzte sich sagenhaft gegen das Orchester durch. Sowohl in der Klosterszene als auch in „Pace, pace, mio Dio“ im letzten Akt glitt sie durch große Bögen und Phrasen. Gwyn Hughes Jones ist mir in Puccini und Verdi schon lange eine Genuss. Sein heldenhafter, italienisierter Klang passte genau zur Rolle des Don Alvaro und führte zu einem sehr anständigen „O tu che in seno agli angeli“. Anthony Michaels-Moore ist ein sehr guter Verdi-Künstler, doch sein Bariton besitzt nicht mehr den Umfang in den tieferen Lagen, und obwohl die Spitzentöne kamen, waren sie erkämpft. Sein blutbeschmierter, rasender Don Carlo des vierten Aktes fing präzise ein, wie seine Figur in den Wahnsinn getrieben worden war. James Cresswell's wohlprojizierter Grabesbass machte Padre Guardianos Musik eine Freude, selbst wenn Bieitos Darstellung ihn nicht zur tröstlichen Vaterfigur machte. Vorbehaltloses Lob gilt dem ENO-Chor, insbesondere den Herren, die Leonora mit packender Intensität in ihre Zuflucht schicken.
Mark Wigglesworth entlockte dem Orchester lebendiges Spiel, mit Blechbläsern in Bestform und einem seidigen Klarinettensolo vor Alvaros Szene. So sehr ich Verdis Oper auch liebe, zieht sich die Musik. Wigglesworth trieb die Handlung bewundernswert voran (mit einem kurzen Schnitt vor dem letzten Carlo-Alvaro-Duett), ohne Pause zwischen den Szenen... bis zu einer fatalen, nachdem Alvaro und Carlo zu ihrem „Duell“ davonstürmen. Hier warteten wir, bis die Bühnenarbeiter die Fassaden herumrangiert hatten – gerade an dem Punkt, an dem Verdis Musik wirklich vorwärts in Leonoras große Arie hätte fließen müssen.
Mein bleibender Eindruck ist der einer Produktion, in der ein interessantes Konzept in eine Inszenierung übersetzt wurde, die das der Musik innewohnende Drama hindert. Musikalisch kompromittiert und dramatisch nicht gerade überwältigend ist dies keine Forza, die man mit offenen Armen empfängt.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.