Nach einem konfusen Tristan, einem spielerisch-experimentellen Lohengrin und einem anarchischen Ring fühlte sich die Inszenierung des Fliegenden Holländers, die in diesem Jahr in Bayreuth gegeben wird, beinahe traditionell an. Nicht, dass Jan Philipp Gloger sich von Werktreue zu Wagners originalen Bühnenanweisungen oder Kostümen eingeschränkt fühlte: die Seemänner trugen schicke, moderne, graue Anzüge, während ihre spinnenden Liebsten Fabrikarbeiterinnen in OP-Kitteln waren (die Spinnräder wurden als elektronische Ventilatoren, die von dort verschickt wurden, geschickt zu alternativen, sich drehenden Gegenständen umgedeutet). Diese Erneuerung allerdings ging nicht tief; die Figuren verhielten sich noch immer ziemlich so, wie es das Libretto vorgibt. So entwickelten sich die Geschehnisse der Handlung auch in Einklang mit der emotionalen Sprache von Wagners Musik, die es einfacher machte als bei anderen Produktionen des Festivals, sich ganz in die Geschichte zu vertiefen.
Der Vorhang blieb die gesamte Ouvertüre über geschlossen, was es uns ermöglichte, uns wirklich auf die instrumentale Synopsis des Dramas zu konzentrieren, das vor uns lag. Das Festspielorchester unter Axel Kober schuf eine fabelhafte Tondichtung, in dem die wogende (mit dem Holländer assoziierte) Eröffnungsmusik maximalen Kontrast zum Erlösungsthema (assoziiert mit Senta) bot, so dass man das Gefühl bekam, es handle sich um die Exemplifizierung eines ureigenen Gegensatzes von Dynamik und Ruhe. Kober führte das Ruder stets mit ruhiger Hand, deren Ergebnis nur von ein paar kurzen Momenten der Inkoordination zwischen Orchester und Chor getrübt wurde.
Der Hintergrund für den ersten Aufzug war ein gigantischer elektronischer Schaltkreis von glühenden Drähten, Chips und digitalen Zählern, der in Abständen epileptisch blinkte, und nur ein kleines Ruderboot ließ die ursprüngliche maritime Umgebung erahnen. Am Ende des Aufzuges stürzten die Seemänner von der Bühne, schleppten ein großes Segel, das dann zur Seite gezogen wurde und den Blick auf eine zweiseitige Kiste freigab. Darin fand man die Fabrikarbeiter-Damen des Chores, in ihren Bewegungen eingefroren, bis die Musik sie wieder freigab. Der Großteil des zweiten und dritten Aktes fand in diesem kastenartigen Aufbau statt (Bayreuth verwendet die Fassung ohne Pause zwischen dem zweiten und dritten Aufzug, seit der Holländer dort 1901 erstaufgeführt wurde).
Senta war die Figur, die in dieser Inszenierung am markantesten charakterisiert wurde: ihre selbstgemachte, gegenstandslose Statue des Holländers, auf die sie völlig fixiert war, ließ eine etwas gestörte Persönlichkeit vermuten. Diese Senta wurde nach Eriks Versuchen, ihre Meinung zu ändern, nicht im geringsten von Zweifeln geplagt; selbst die Zurückweisung des Holländers wurde gleichmütig ignoriert. Ihr suizidaler/erlösender Sprung ins Meer, immer eine Herausforderung für die Regie, wurde hier dadurch ersetzt, dass Senta sich selbst erstach, wonach eine identische Wunde am Körper des Holländers zu bluten begann, bevor die beiden auf den Kistenturm kletterten, um sich ein letztes Mal zu umarmen. In dieser Haltung schloss sich vor ihnen der Vorhang, nur, um sich ein paar Sekunden später wieder zu öffnen, als das Erlösungsthema ein letztes Mal erklang. Das Bühnenbild hatte sich verändert: die Fabrik ist wieder in Betrieb und stellt jetzt kitschige Repliken der beiden Liebenden in ihrer letzten Pose her. Diese leichte Anspielung auf die Kommodifizierung gab dem Ganzen Humor, ohne das Original trivial zu machen.
Im Holländer befindet sich der Chor viel auf der Bühne, und diese Sänger waren durchgehend ausgezeichnet. Der Chor der Spinnerinnen wurde durch die koketten Posen der Frauen nur noch charmanter, während die große zusammengesetzte Szene am Anfang des dritten Aktes (der Austausch zwischen den norwegischen Seemännern und deren Liebsten, und in folge der Gesangswettkampf mit der geisterhaften Mannschaft des Holländers) war wohl der beeindruckendste Teil dieser Vorstellung. Die Bewegungen des Chors waren höchst koordiniert und durchstilisiert, beinahe in der Art des Musicals.
Das Gesangsniveau der Solisten war im Allgemeinen äußerst gut, obwohl es keine wahrlich außergewöhnlichen Vorstellungen gab, wie man sie bei anderen Produktionen im Rahmen des Festivals gesehen hat. Kwangchul Youn war ein schroffer Daland, der die opportunistischen Züge seiner Figur gut einfing, während sein Namensvetter Samuel Youn einen gefühlvollen Holländer gab, der seinem großen Monolog im ersten Aufzug Würde und tiefe Emotion verlieh, wenngleich ihm vielleicht die schiere vokale Präsenz einiger der großen Vertreter dieser Rolle abging. Tomislav Mužeks kultivierter Gesang in der Figur des Erik war sehr angenehm zu hören, und das nicht nur wegen der Seltenheit seines Stimmfaches (ein lyrischer Tenor) in Wagner'schen Opern. Ricarda Merbeth war als Senta problematischer: sie hatte die Tendenz, die großen Spitzentöne zu hoch zu nehmen, wahr jedoch intonatorisch sicherer, wenn sie nicht in vollem Forte sang. Benjamin Bruns machte das Beste aus seiner Rolle als Steuermann und zeigte sowohl solide stimmliche Ansätze sowie komödiantisches Talent, und Christa Mayer gab eine gute Mary.
So sehr ich diese Inszenierung genossen habe, so muss ich doch sagen, dass sie sich vielleicht nicht so lange im Gedächtnis halten wird wie enige der übrigen, umstritteneren Produktionen der Festspiele.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.