„Nun, ich glaube, meine Norma liegt irgendwo zwischen Maria Callas und Cecilia Bartoli.“ Sonya Yoncheva, die die Titelrolle in Covent Garden übernahm, als Anna Netrebko, beschloss, dass diese Rolle doch nichts für sie ist, gab sich in einem Interview mit The Sunday Times letzten Monat viel Spielraum. Vielleicht war es gut, dass sie den Geist der Callas selbst erwähnt hat, denn sonst hätten das viele andere getan. Letzten Endes ist Yonchevas Norma der legendären griechischen Sopranistin auf dem stimmlichen Spektrum ein ganzes Stück näher als so mancher gewettet hätte.
Warum so mancher Kommentar Zweifel an Yonchevas Fähigkeiten hegte, diese Kultrolle des Belcanto anzugehen, ist ein Rätsel. Die Reinheit ihrer Marguerite und ihre leidenschaftliche, beherzte Violetta hier in London und ihre ungemein bewegende Iolanta in Paris haben sie bereits als außergewöhnliche Sängerin und Schauspielerin abgesteckt, Qualitäten, die man für Norma im höchsten Maße braucht. Rezitative waren dunkel gefärbt, die verbalen Angriffe auf Pollione, ihren einstigen Geliebten, voller Zorn, entfesselt wie eine knurrende Tigerin. „Casta diva“ - das Arien-Sinnbild des Belcanto – war hinreißend phrasiert mit seidigem Legato, Yonchevas neckischem Rubato und so hypnotisch wie das gigantische Weihrauchfass, das hin- und herschwang. Strahlen von Mondlicht schossen durch die Holzbläser in einer Begleitung, die Sir Antonio Pappano feinfühlig formte. Die darauffolgende Cabaletta „Ah! bello a me ritorna“ war etwas böig, aber aus vollem Herzen gesungen und Yoncheva loderte im Duett. Ein brennendes Rollendebüt.
Joseph Calleja's warmes Vibrato und sein flüssig goldener Ton werfen einen in die Zeit von Björling, Gigli und Tagliavini zurück – und sind meilenweit entfernt von den schmetternden Tenören, die oft mit dem römischen Prokonsul Pollione assoziiert werden. Zwar litt der Anfang unter einigen Intonationsproblemen, doch Calleja sammelte sich schnell für eine Darbietung, die Pollione beinahe sympathisch machte, trotz seiner Untreue.
Sonia Ganassis weich-kernigem Mezzo fehlt eine üppige tiefe Lage, doch sie bot ein aufrichtiges Portrait der Adalgisa und verschmolz im Duett mit Yonchevas viel hellerem Ton. „Mira, o Norma“ war tief berührend. Brindley Sherratts unwirscher Oroveso bekam starken militärischen Grund, als Pappano im Graben rebellische Inbrunst aufpeitschte, aber der Bass war an diesem heiß erwarteten Premierenabend stimmlich nicht in Bestform.