Als Teil der Feierlichkeiten anlässlich des 30. Jubiläums der Suntory Hall brachten die Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann ihre Mini-Osterfestspiele Salzburg im November mit vier Konzerten nach Tokio – zwei Vorstellungen des Rheingolds mit beinahe vollständiger Inszenierung und zwei reine Orchesterkonzerte.
In einem Konzert mit Beethovens Zweitem Klavierkonzert und Strauss' kolossaler Alpensinfonie ist es üblicherweise letztere, die den größeren Eindruck hinterlässt. Nicht so bei dem Konzert der Dresdner am Dienstag. Der 24-jährige Pianist (und Komponist und Mathe-Genie) Kit Armstrong, der in letzter Minute für Yefim Bronfman eingesprungen war, welcher das Konzert aus medizinischen Gründen hatte absagen müssen, bot eine Interpretation, die Kühnheit mit Lyrik verband, Selbstsicherheit mit Eleganz. Sie hatte alles, was man sich in diesem Konzert wünschen konnte: gewählte Phrasierung, grundsoliden Rhythmus, volles dynamisches Spektrum (das Ende des langsamen Satzes war einfach magisch), Klarheit und einen warm kultivierten Klang, der perfekt zur Orchesterbegleitung hinter ihm passte. Als Zugabe spielte Armstrong das Menuett aus Bachs Partita Nr. 1 in B-Dur, ein kleines Stück, das technisch so simpel ist, dass ein Mittelstüfler es spielen könnte, aber ich wage zu behaupten, dass nicht ein Pianist in tausend es mit so perlendem Anschlag, einem solchen Reichtum an Nuancen und Imagination hätte spielen können wie Armstrong.
Die Alpensinfonie ist eines der bemerkenswertesten Werke, die je zur Darstellung der Natur durch Klang geschaffen wurden. Jeder Aspekt des Auf- und Abstiegs eines Alpengipfels im Zeitraum von 24 Stunden wird gezeichnet. Mit nahezu einer Stunde Aufführungsdauer zeigt sie Strauss auf dem Höhepunkt seiner orchestralen Kraft und verlangt die vielseitigste Besetzung, die Strauss jemals für ein reines Orchesterwerk verwendet hat, einschließlich solchen Exoten wie Orgel, Donnerblech, Windmaschine, Kuhglocken, Heckelphon und vier Wagnertuben. Virtuosität ist von jedem Musiker gefragt und macht die Komposition zum ultimativen Orchester-Schaustück.
Alles, das Armstrong im Konzert richtig gemacht hatte, machte Thielemann in der Alpensinfonie falsch, von Anfang an. Die Partitur schreibt für die ersten Seiten pianissimo vor, doch Thielemann brach mindestens mezzoforte herein, eine dynamische Ebene, die er für die gesamte Eröffnung („Nacht“) beibehielt und so jedes Gefühl von frühmorgendlicher Dunkelheit oder Wachstum hin zum Sonnenaufgang ruinierte. Es gab tatsächlich nur wenige Momente, in denen das Orchester wirklich pianissimo spielte, während einige der lautesten Passagen zu Klangbrei verkamen. Lyrische Melodielinien gingen oft in Begleitmaterial unter; klimaktische Momente vergingen ereignislos. Dem langen, auf den Sturm hinleitenden Abschnitt fehlte jedes Gefühl von Furcht, Geheimnis oder Kontrast, und das Gewitter selbst war wenig mehr als ein Lärmfest. Thielemann hetzte durch die Musik als hätte er es eilig, es hinter sich zu bringen, und stürzte von einem Abschnitt zum nächsten mit wenig Sinn für Unterschied. Nichts Majestätisches, Mysteriöses, kein Gefühl von Größe in diesem alpinen Ausblick.
Nichtsdestotrotz bewies die Staatskapelle Dresden einmal mehr, wie sie es zwei Tage zuvor schon im Rheingold getan hatte, dass sie ein Top-Kandidat für den Titel „Bestes Orchester der Welt“ ist. Ihr Klang ist reich, tiefgründig und herrlich ausgewogen, ganz wie ein großartiger Burgunder oder ein fein gereifter Cognac. Holzbläser verströmen einen widerhallenden Glanz, Blechbläser sind rund und weich. Nichts klingt je gepresst, grob oder rau, ganz gleich, wie laut das Orchester spielt. Es gab hinreißende Soli von Flöte und Oboe und der Trompeter warf seine atemberaubenden hohen Ds mit blendender Brillanz in den Raum. Es gibt kein einziges schwaches Glied in diesem Orchester, doch die Streicher sind sicherlich seine größte Pracht (die Bässe sind einfach phantastisch). Ich habe seit der Blütezeit des Philadelphia Orchester vor über einem halben Jahrhundert keine solchen Streicher gehört. Wenn sie nur einen Dirigenten hätten, der ihrer würdig ist.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.