Die Kanada-Premiere von Vollmond mit dem Tanztheater Wuppertal – Pina Bausch im National Arts Center in Ottawa fand nur einen Tag nach Vollmond statt – hier ist der Name Programm. Sowohl der Mond als auch das Wasser, auf das er mit Ebbe und Flut so großen Einfluss nimmt, haben figurative und abstrakte Auftritte im Stück. Sie tragen zum Hintergrund der Geschichte von Liebe und Einsamkeit bei, das Nüchterne und das Phantastische spielen sich zwischen Charakteren aller Arten ab. Es ist eine Repräsentation der Menschlichkeit, die tief berührt.
Während der Veranstaltung habe ich mich dabei ertappt, wie ich dachte „Ja, das kann man wirklich machen!“ Man kann ein Stück aus dem Mond heraus schneiden und es dem Menschen zur Vermessung vorsetzen. Man kann einen fließenden Bach auf der Bühne bauen und es stundenlang regnen lassen. Wer sagt, dass man das nicht kann? Pinas Welt ist voll grenzenloser Kreativität und einem allgemeinen Gefühl von positivem Glauben an die Menschheit. Die latente Angst vor Beurteilung, an der so viele von uns so festhalten, wird auf wundervolle Art und Weise aufgegeben. In fließenden Gewändern und zusammengesetzten Anzügen tanzen Männer und Frauen die sich verändernden Phasen ihrer Emotionen im strömenden Regen. Sie haben keine Angst davor, nass zu werden.
Obwohl die Tänzer ausgezeichnet sind, sollte diese Veranstaltung nicht durch das Herunterbrechen der körperlichen und elementaren Aspekte ihrer Choreographie betrachtet werden, denn was einem in Erinnerung bleibt ist, wie man sich mit den Erlebnissen und Erfahrungen der Charaktere identifiziert. Humor, Traurigkeit, Liebe, Verlangen... diese Vorstellung ist wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die einem bei jedem Besuch – da bin ich mir sicher – etwas Neues und unmittelbar Nachvollziehbares gibt. Jeder Tänzer hat seinen ganz eigenen Moment in einem Solo-Portrait, und keine zwei Soli gleichen sich. In über zwei Stunden lernen wir diese Charaktere kennen, als wären es viele verschiedene Facetten unserer selbst.