Sie haben Josef Suks Quartette bekannt gemacht, einen bemerkenswerten Rihm-Zyklus und eindringliche Erkundungen des Gegenwartsrepertoires etwa mit den Streichquartetten von Peter Ruzicka veröffentlicht. Mit neuem Programm, das den vor 150 Jahren geborenen Ravel und den vor 70 Jahren geborenen Hosokawa in den Mittelpunkt stellt, ließ das Minguet Quartett bei seinem Konzert in Fürth aufhorchen. Und kombiniert Ravel mit weiteren farbenreichen Quartetten von Haydn bis Debussy: ein anspruchsvolles Programm der Art, wie es den Minguet-Künstlern weltweites Renommée verschafft hat. Ihr Name weist auf den spanischen Philosophen Pablo Minguet, der dem breiten Volk Zugang zu den „Schönen Künsten“ zu verschaffen suchte.

Minguet Quartett © Irene Zandel
Minguet Quartett
© Irene Zandel

Mit mehr als 80 Streichquartetten kann man Haydn als Vater dieser Musikgattung ansehen, meist in Gruppen zu sechs für den Auftraggeber gebündelt. Das vierte Stück des Op.76 trägt aufgrund seines Beginns den Beinamen „Sunrise” in England, weil man in der ruhig und weich anschwellenden Violinstimme über einem liegenden B-Dur-Akkord der übrigen Streicher das Erscheinen und Aufsteigen der Sonne durch Dunst oder Nebel zu hören glaubte. Erst langsam wächst die Figur, kaum als Thema zu bezeichnen, ins Fortissimo. So ähnlich hat Haydn auch seinen wahren Sonnenaufgang in strahlendem C-Dur-fortissimo zu Beginn der teilweise gleichzeitig entstandenen Schöpfung komponiert. An Stelle eines zweiten Themas die gleiche Melodielinie, nun absteigend vom Cello vorgetragen. Haydn verarbeitet das Thema nicht, was zum statischen, beinahe romantischen Klangbild passt. Auch im chromatischen Hymnus des Adagio malte das Quartett diese Empfindung aus. Im Trio des heiteren Menuetts überraschten sie nach volksliedhaftem Beginn über einem Dudelsack-Bordun mit einer fahlen, unisono gestalteten Abwärtsbewegung. Das zunächst bedächtig einsetzende Rondo steigerten sie in einer langen Coda zur wohlgelaunten Kadenz des Primarius und einem fugierten Schlussteil.

Claude Debussys Werke sind ein impressionistisch kunstvolles Gewebe an Klangfarben. Auch das Andantino seines Streichquartetts Op.10 wird von den Minguets im Schillern seiner Harmonien, kunstvollem Andeuten und üppiger Entfaltung geprägt. Bewundernswert dabei ihre musikantische Disziplin, ihr intensiver und beseelter Ensemble-Klang. Man hätte gern auch das komplette Werk genießen wollen.

Viel Impressionistisches steckt ebenso in den Werken des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa. Er „male“ seine Kompositionen auf dem Untergrund der Stille, hat er einmal gesagt. Blossoming entfalte die Metapher dieses Aufblühens, das Bild des Lotus, Symbols der Reinheit, der aus dem Schlamm kommt, dem Licht entgegen wächst und erblüht. Der Ton B, mit dem das Stück beginnt, stehe für die sanften Bewegungen der Wasseroberfläche; die tieferen Register symbolisierten die Vorgänge unter Wasser. Sobald die Knospe die Oberfläche des Teichs, das B, erreicht hat, wärmte sie der Schein der Morgensonne, sie singe von ihrer Sehnsucht nach dem Erblühen. Japanische Gagaku-Musik, von altem höfischem Klang, und Glissandi sind weitere Merkmale von Hosokawas Arbeiten. Faszinierend ließ das Quartett den Klang aus der Stille heraustreten, aus leisen Geräuschen individuell aufblühen in lang gezogene Töne oder kleine Klanggesten, schließlich zurückkehren ins Innere, ins Schweigen.

Maurice Ravels frühes und einziges Streichquartett in F-Dur ist ein Geniestreich und zugleich ein kammermusikalischer Meilenstein des Impressionismus. Das Minguet Quartett spielte zupackend, sehr genau dort, wo es um die Darstellung rhythmischer und klangfarblicher Konturen geht: im Allegro erst ganz geheimnisvoll und feinsinnig ausgesponnen (eben doux), im folgenden Assez vif bündelten sie die Kräfte in unglaublich präzis ausgehörten Pizzicatoabschnitten: Nachzittern und Vorausbeben, jeweils Dreh- und Angelpunkte, mit nervösem Vorwärtsdrang, dessen Energie fast schon etwas Dämonisches hatte. Selig sanft stimmte die Bratsche den langsamen Satz an, mischten die übrigen sich in die musikalisch zwar süßlich anmutende, tatsächlich aber hochkomplexe Harmonik; atemlos folgte man gespenstischen Momenten des Flirrens der Streicher in hohen Lagen über sonorem Violoncellogrund. Quartettspiel vom Feinsten auch im Schlusssatz, in dem Ravel, auf einem chromatischen Fünftonmotiv aufbauend, die baskische Tanzrhythmik des „Zortzico“ in variierter Form anklingen ließ (wechselnd Fünfer- und Dreiertakt). Zu einem furiosen Klangerlebnis reicher Beifall, für den sich das Minguet Quartett mit einem pastellfarben sinnlichen La vie en rose von Edith Piaf und Marguerite Monnot bedankte.

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