Tschaikowskys Fünfte Symphonie statt Schostakowitschs Erster: Diese Änderung im Programm ermöglichte erst den Saisonauftakt mit dem ersten Orchesterkonzert der Saison 2017/18 des Grazer Musikvereins, nachdem Dirigent Alan Buribayev kurzfristig wegen Krankheit absagen musste. Aleksandar Marković übernahm, rettete das Konzert und eroberte die Herzen obendrein noch mit einer kurzen Rede, in der er seine Liebe zu Stadt, Stefaniensaal und Grazer Publikum bekundete.
Den ersten Teil des Abends bildete Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 in d-Moll, das er selbst, in Anspielung auf seine Schwierigkeiten, als „Konzert für Elefanten” bezeichnete. Tatsächlich ist dieses Werk unter den großen Klavierkonzerten statistisch gesehen jenes mit den meisten Noten pro Sekunde für den Klavierpart. Der mazedonische Pianist Simon Trpčeski umschiffte die Klippen der Komposition jedoch nicht nur sicher, sondern meisterte diese bravurös. Überdies schien er stets um eine ideale Balance mit dem Orchester, der Slowenischen Philharmonie, bemüht; so fügte er sich zunächst im ersten Satz mit der an ein russisches Volkslied erinnernden Melodie harmonisch in den Gesamtklang des Orchesters ein, anstatt das Klavier allzu hervorstechen zu lassen. Solche zartschmelzenden Momente ließ Trpčeski in Folge immer wieder auf so atemberaubend schnelle Passagen treffen, angesichts derer man sich bewundernd fragen musste, wie diese Fingerfertigkeit biologisch überhaupt möglich sein kann. Dabei bewahrte der Solist stets auch bei extremen Tempi die Zwischentöne und die Innigkeit des Werks, spielte nicht bloß mit technischer Perfektion, sondern mischte auch viele Farben und Emotionen ins Spiel.
Die Slowenische Philharmonie und Aleksandar Markovic boten dem Pianisten hierfür den idealen Rahmen. Vor allem die Streicher vermittelnden die teils herrlich melancholische slawische Seele des zweiten Satzes, besonders schön gestaltete sich durchgehend die perfekte klangliche Harmonie zwischen Klavier und Bläsern. Mit schattierter Dynamik und straffen Tempi steuerte Markovic die Musiker schließlich in das schmissig trappelnde Finale, für das sich Orchester und Solist nochmals zu einer hochenergetischen Mischung verbanden. Mit einer veritablen Überraschung wartete Simon Trpčeski schließlich für die Zugabe auf. Nicht solistisch, sondern gemeinsam mit Andrej Petrač, dem Solocellisten der Slowenischen Philharmonie, lieferte er mit dem berückend schönen dritten Satz aus der Sonate für Violoncello und Piano von Rachmaninow dem Publikum noch ein wahres Schmankerl.
Nach der Pause folgte mit Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Symphonie Nr. 5 in e-Moll ein wahrer Klassiker des russischen Repertoires. Wie zuvor bereits in seiner Vierten Symphonie beschäftigte sich der Komponist auch hier mit dem Schicksalsproblem des Menschen. Das in allen vier Sätzen in Erscheinung tretende Motiv der „vollständigen Beugung vor dem Schicksal”, das den ersten Satz eröffnet, interpretierte Markovic gleich bedeutungsschwer und in so satten Klangfarben, dass man die Last des Schicksals regelrecht auf den Saal überzugreifen spüren konnte. War bei Rachmaninows Klavierkonzert die Balance zwischen den Instrumentengruppen noch ausgewogen gewesen, war sie bei Tschaikowskys Symphonie allerdings nicht immer ganz ideal; mal waren es die Violinen, mal die Posaunen und Trompeten, die sich gar in den Vordergrund drängten. Andererseits gelang vor allem das Schwelgen in Tschaikowskys üppigen Klang- und Seelenwelten ganz ausgezeichnet. Markovic schien auch stets besonders um einen einheitlichen Dramaturgiebogen bemüht und sorgte etwa mit der Steigerung zum an einen Hollywood-Soundtrack erinnernden Höhepunkt des zweiten Satzes für aufgeladene Spannung. Die, wie schon im ersten Teil des Abends vom Dirigenten gewählten, teils sehr straffen Tempi ließen den dritten Satz etwas zu hektisch wirken; im vierten Satz verdeutlichten sie allerdings die gewittrige Grundstimmung der Musik gut. Im Finale goss die Slowenische Philharmonie schließlich ohne viel Sentimentalität ein letztes Aufbäumen des Schicksals in Musik, wobei etwas mehr Emotionalität und vor allem Pathos nicht hätten schaden können.
Obwohl mir persönlich die verhältnismäßig selten aufgeführte Erste Symphonie Schostakowitschs lieber gewesen wäre, als Tschaikowskys Fünfte, war es insgesamt ein angenehm russischer Saisonauftakt mit einem herausragenden Simon Trpčeski im ersten Konzertteil.