Mit Richard Wagners Tannhäuser eröffnete die Oper Graz die Saison 2024/25 und bot dabei einen in vielerlei Hinsicht beglückenden Premierenabend. So war etwa die musikalische Leistung der Grazer Philharmoniker unter der Leitung von Chefdirigent Vassilis Christopoulos ein absolutes Highlight des Abends. Statt Wagners Werk nur in bombastischer Wucht erklingen zu lassen, entschied sich der Dirigent für eine subtile Interpretation, die durch feine Abstufungen und präzise Dynamik beeindruckte. Besonders hervorzuheben ist dabei die delikate, fast kammermusikalische Transparenz, die feine Nuancen der Partitur zum Vorschein brachte. Die Grazer Philharmoniker und ihr Chefdirigent agierten im perfekten Zusammenspiel – es war in jeder Note spürbar, wie sehr die Musiker für und mit Christopoulos an einem Gesamtkunstwerk arbeiteten. Besonders die Bläser brillierten dabei durch ein Höchstmaß an Präzision und Sensibilität, wie es an diesem Haus noch selten zu hören war.

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Samuel Sakker (Tannhäuser)
© Werner Kmetitsch

Schade jedoch, dass ausgerechnet die Besetzung der Titelrolle in keinerlei Hinsicht mit dieser hohen musikalischen Qualität mithalten konnte. Samuel Sakker war mit der Rolle des Tannhäuser hörbar überfordert, denn bereits ab der ersten Szene klang seine Stimme angestrengt und fahl – ein Eindruck, der sich im weiteren Verlauf der Aufführung noch verstärkte. Statt einer facettenreichen vokalen Interpretation bot er vor allem eindimensionale Kraftmeierei, denn die Fähigkeit, laut zu singen, macht eben noch keinen Heldentenor. Ein allzu breites Vibrato und eine unsaubere Diktion verstärkten den negativen Eindruck, sodass auch einige glänzend gesungene Spitzentöne nicht mehr viel wettmachen konnten. Positiv stach jedoch seine schauspielerische Leistung hervor: In der Rolle des gequälten Künstlers, der in dieser Inszenierung zunehmend dem Wahnsinn verfällt, gelang Sakker mit viel Bühnenpräsenz eine glaubhafte Darstellung.

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Ekaterina Solunya, Statist, Mareika Jankowski, Samuel Sakker, Nikita Ivasechko
© Werner Kmetitsch

Mareike Jankowski sorgte als Venus hingegen auch stimmlich für starke Momente, indem sie eine interessante Mischung aus Verführung und Bedrohung auf die Bühne brachte. Ihr Mezzo verfügt über strahlende, goldene Farben, aber auch kalte Silbertöne, die diese Ambivalenz der Figur verdeutlichten. Denn bei ihren Versuchen, Tannhäuser zu umgarnen und ihn zum Bleiben zu bewegen, färbte sie ihre Stimme noch süßlich warm, nur um dann zu kraftvoll, kühlem Fluch anzusetzen.

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Erica Eloff (Elisabeth)
© Werner Kmetitsch

Erica Eloff beeindruckte als Elisabeth vor allem im dritten Akt, denn waren in der Hallenarie noch einige Höhen zu scharf geraten, zeigte sie in den lyrischen, innigen Momenten elegante Zurückhaltung und formte feine, fragile Piani, die ihre innere Zerrissenheit und Verzweiflung ergreifend ausdrückten. Sie interpretierte die Elisabeth als eine Frau, die sich aus Liebe zu Tannhäuser völlig im religiösen Wahn verliert und ihr gelang es, diese Entwicklung sowohl stimmlich als auch schauspielerisch eindrucksvoll darzustellen.

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Samuel Sakker (Tannhäuser) und Nikita Ivasechko (Wolfram von Eschenbach)
© Werner Kmetitisch

Eine positive Entdeckung des Abends war Nikita Ivasechko, der als Wolfram einen gelungenen Einstand im Ensemble feierte. Der junge Bariton, der frisch aus dem Opernstudio der Wiener Staatsoper kommt, überzeugte mit sattem, volltönendem Bariton, der über eine vielschichtige Palette an Klangfarben verfügt. Sein Wolfram wirkte zugleich sanftmütig und idealistisch – ein Mann, der mit einer gewissen Naivität an die Idee der reinen, unerreichbaren Liebe glaubt. Sowohl stimmlich als auch darstellerisch hinterließ er bleibenden Eindruck und man darf sich auf seine weiteren Aufgaben in Graz freuen!

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Samuel Sakker (Tannhäuser) und Mareike Jankowski (Venus)
© Werner Kmetitisch

Wilfried Zelinka als Landgraf Hermann zeigte gewohnt souveräne Bühnenpräsenz, seine Stimme strahlte dabei die nötige Autorität für die Rolle aus, wobei besonders die mittlere Lage resonant schimmerte. Zwar erreichten einige Tiefen nicht ganz die gewünschte Resonanz, doch diese kleinen Schwächen fielen angesichts seiner insgesamt starken Leistung kaum ins Gewicht. Auch der Chor, der durch Extrachor und Zusatzchor verstärkt wurde, hinterließ einen starken Eindruck, wobei die Platzierung auf der Galerie in der letzten Szene besonders effektvoll war.

<i>Tannhäuser</i> &copy; Werner Kmetitisch
Tannhäuser
© Werner Kmetitisch

Nicht nur dieser Einfall des Regisseurs konnte überzeugen, denn Evgeny Titovs Inszenierung setzte auf eine überaus packende Darstellung der psychischen Zerrissenheit Tannhäusers zwischen katholischen Moralvorstellungen und innerem Freiheitsdrang. Als Einheitsbühnenbild fungierte dabei eine Festhalle mit Krater in der Mitte, wohl auch symbolisch als innerer Abgrund zu verstehen. Die Venus erscheint dabei lediglich als eine drogeninduzierte bzw. psychotische Wahnvorstellung – was erstaunlich viel Sinn ergibt, denn dieser Tannhäuser ist ein strauchelnder Künstler, der letztlich an sich selbst zerbricht, obwohl seine Sängerkollegen und Elisabeth noch versuchen, ihn wieder auf die richtige Spur zu bringen. 

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