Das Personal, das Strawinsky für seine Geschichte vom Soldaten vorschreibt, ist minimal. Einen Vorleser und zwei Schauspieler, ergänzt durch einige Tänzer (darunter eine Tänzerin für die stumme Rolle der Prinzessin), mehr braucht es nicht für die Geschichte von dem Soldaten, der dem Teufel seine Geige für ein Buch verkauft, durch das er zu unermesslichen Reichtümern kommt. Glücklich aber wird er dadurch nicht; am Ende gehen er und der Teufel von der Bühne ab in ein offenes Schicksal – ein Märchen, und der Dichter Charles Ferdinand Ramuz, der Strawinsky das Libretto schrieb, hat dabei dem Märchenerzähler die wichtigste Rolle zugeteilt.
Die Produktion, deren Premiere das Bayerische Staatsballett jetzt als Livestream ausgestrahlt hat, ist noch minimaler. Sie verzichtet auf die Schauspieler, die den Soldaten und den Teufel mimen, und überlassen alle Parts der Erzählerin. Das freilich kann sie auch, denn Dagmar Manzel trägt die verschiedenen Texte derart bravourös vor, dass ein Schauspiel überhaupt nicht nötig ist. Wenn der Teufel dem Soldaten seine Geige abzuschwatzen versucht, flötet sie in verführerischen Tönen; wenn er ihm vorschreibt, was er tun soll, wird der Ton militärisch befehlshaft; will der Soldat schüchtern Einwände erheben, greift sie zu zaghaftem Sprechen; schlüpft der Teufel in die Rolle einer alten Frau, wird die Stimme brüchig. Zwar steht Dagmar Manzel die ganze Zeit über an ihrem Lesepult, doch ist sie zu sehr Vollblutschauspielerin, als dass sie dabei nicht auch mimisch die nötigen Ingredienzien beisteuerte. Zudem ist sie hochmusikalisch, die zum Teil rhythmisch zur Musik skandierten Texte klingen bei ihr wie Marschmusik, da wird Sprache zum musikalischen Material. Man kann die Augen schließen und hat doch die ganze Szenerie, die von Ramuz' Text evoziert wird, vor dem geistigen Auge. Das ist allergrößte Schauspielkunst selbst ohne szenisches Agieren.
Und Strawinskys Musik tut ja das Ihre, die nötigen musikalischen Kommentare zum Geschehen abzugeben. Wenn etwa der Soldat in der zweiten Szenen merkt, dass er dem Teufel auf den Leim gegangen ist und er in seiner Heimat nicht mehr erkannt wird, dann klagen die Instrumente verzweifelt, und Vladimir Jurowski, der designierte Chefdirigent der Bayerischen Staatsoper, entlockt der Partitur den ganzen Farbenreichtum, pointiert die vertrackten Rhythmen, illustriert so ganz aus dem Klang der wenigen Instrumente all das, was an Handlung vor dem Auge des Zuschauers erstehen soll. Die Musik kommentiert mit den ihr eigenen Mitteln, was zuvor erzählt und andeutungsweise agiert wurde. Musik und Text sind so eigenständige Elemente, die auf diese Weise, vor allem wenn sie so realisiert werden, wie Jurowski und Manzel es tun, ganz zu ihrem eigenen Recht kommen. Sprechender in den Instrumenten und singender im Text der Erzählerin kann man sich das kaum mehr vorstellen.