Hamburg ist Musikstadt. Dieses Motto schreibt sich die Hansestadt selbst auf ihre Fahne. Und das nicht nur als drittgrößte Musicalmetropole der Welt. Spätestens seit der Eröffnung der Elbphilharmonie 2017 ist Hamburg wieder auf der internationalen Landkarte der Klassik-Szene aufgetaucht. Doch die Stadt spielte schon früh eine große Rolle für die Bühnenkunst.

1678 eröffnete am Gänsemarkt das erste bürgerlich-städtisches Musiktheater Deutschlands nach dem Vorbild des Teatro San Cassiano in Venedig. Mit zweitausend Plätzen war es im deutschsprachigen Raum das größte Theater zu dieser Zeit. Kein Repertoirehaus, sondern mobile Opern- und Theatertruppen fanden hier ihre technisch moderne Bühne. Georg Philipp Telemann feierte dort mit seinen Opern zahlreiche Uraufführungen. Nach dem Abriss 1764 wurden immer wieder neue Theater- oder Konzerthäuser am Gänsemarkt errichtet – das wohlhabende Bürgertum förderte und führte die Szene an – bis zur heutigen Hamburgischen Staatsoper an der auch Gustav Mahler als erster Kapellmeister seine Spuren hinterließ. Man glaube aber nicht, dass wie heute nur Opern und Konzerte zur Aufführung kamen. Neben klassischer Musik, Ballett und Oper gab es über die Jahre in den verschiedenen Häusern Magier-Vorführungen, Gymnastikeinlagen und sogar Feuerwerke.

Heute hat die Stadt ein paar sehr große Konzert- und Operngebäude. Doch wenn man sich Hamburg genauer anschaut, gibt es eine Menge an großartigen Bühnen zu entdecken. Die wichtigsten und schönsten Orte, klein und groß, von denen einem als Besucher*in und vielleicht sogar als Hamburger*in bei der Suche nach einem schönen Konzert- oder Opernabend nicht alle sofort ins Auge fallen, sollen hier – natürlich jeder Vollständigkeit entbehrend und ohne Ranking – vorgestellt werden.


1 Der Michel – Hauptkirche St. Michaelis

Hamburg pur. Seit langem ist die traumhaft schöne Hauptkirche St. Michaelis, liebevoll „Michel” genannt, Wahrzeichen der Stadt. In einer der wichtigsten Barockkirchen Deutschlands herrscht reger Betrieb, und zwar ein Musikbetrieb. Zahlreiche Konzerte werden in diesem herrlichen Ambiente veranstaltet. Ob Oratorium, Kantatengottesdienst, Posaunenchor, Orgel, Jazz, Orchester oder Lesung, hier findet jeder etwas. In diesem besonderen Raum ist trotz der kirchenbaubedingten schwierigen Akustik große Geschichte spürbar und besonders im Sommer kühle Entspannung mitten in der Großstadt garantiert. Mit 132m über Normalnull ist der Turm des Michel sogar höher als die Elbphilharmonie und gibt einen wunderbaren Ausblick auf die Hansestadt. Wer möchte, kann hier auch der Familie Bach buchstäblich näherkommen: In der Krypta des Michel ruht kein Geringerer als Carl Philipp Emanuel Bach.

Wem das noch nicht genug Musik in Kirchen ist, der mag sich das Programm der St. Jacobi, St. Petri, St. Katharinen und St. Nikolai anschauen. An schönen Hauptkirchen mangelt es Hamburg nicht.

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Hauptkirche St. Michaelis
© Moritz Lüdtke | Unsplash


2 Laeiszhalle

Wer das Flair der „guten alten Jahre“ mit roten Polstersitzen und goldverzierten Rängen mag, der kann auch in die good old Laeiszhalle gehen. Ein neobarocker Schuhkarton von 1908 mit herrlich warmer Akustik und prunkvollem „Brahmsfoyer“. Eines der drei großen Hamburger Orchester – die Symphoniker Hamburg – sind hier zu Hause. Aber auch Comedy, Chöre, Klavierabende, Matineekonzerte und zahlreiche andere Veranstaltungen sind hier fast täglich auf dem Plan. Mit gut 2000 Plätzen bietet die ehemalige „Musikhalle“ genug Platz für alle und ist offen für jedes Genre.

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Laeiszhalle: Großer Saal
© Thies Rätzke


3 resonanzraum

Wer lieber ein räumliches Kontrastprogramm mag, der ist im resonanzraum genau richtig. Ein Konzertraum im Bunker. Ja, tatsächlich im Bunker! Mitten in St. Pauli steht der ehemalige Flakbunker IV aus dem Zweiten Weltkrieg. Der denkmalgeschützte Bau ist heute noch ein wichtiges Mahnmal Hamburgs, aber auch ein Anlaufpunkt für Kreative und Medien. Die langen Schlangen vor dem Eingang mögen die erstmaligen Klassikkonzertbesucher eventuell irritieren, aber beim Näherkommen merkt man, ach, über dem resonanzraum läuft eine Technoparty. Doch es wäre ja kein Bunker, wenn man davon viel hören würde.

Wenig überraschend ist das namensgebende Ensemble Resonanz neben ihrer Residency im Kleinen Saal der Elbphilharmonie hier zu Hause. Mit kreativen Konzertkonzepten und spannenden Gästen gestalten sie ein oft grandios neuartig zusammengestelltes Programm und lassen auch in Ihre Proben blicken. Natürlich sind auch andere Künstler*innen in dem akustisch hervorragenden Raum mit intimer Atmosphäre auf der Bühne oder mal mitten drin zu finden. Kurz: Einfach gute Musik an einem außergewöhnlichen Ort.

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resonanzraum
© Jann Wilken


4 Staatsoper Hamburg und Hamburg Ballett

Ist Oper gefällig, dann bietet sich natürlich als erstes die Hamburgische Staatsoper an, eines der größten deutschen Repertoire-Häuser mit häufigem Staraufgebot in Regie und auf der Bühne. 1827 wurde das Opernhaus an der Dammtorstraße eröffnet, 1943 wurde das Vorderhaus allerdings zerstört und 1955 wiederaufgebaut. Das moderne Gebäude beherbergt neben der Staatsoper das Philharmonische Staatsorchester und auch das international bekannte Hamburg Ballett, was lange mit dem Namen John Neumeier assoziiert war und sicherlich auch bleibt. In der Saison 2025/26 wird es dann noch mal besonders spannend: Tobias Kratzer kommt als Intendant an das Haus.

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Hamburgische Staatsoper: Zuschauerraum
© Niklas Marc Heinecke

Wer es kleiner mag, sollte einen Blick auf den Spielplan der Opera Stabile werfen. In der kleinen Blackbox – ein quadratischer Raum mit schwarzen Wänden und einem flachen Boden – finden direkt neben der Staatsoper oft spannende Projekte mit raumbedingter unmittelbarer Nähe zu Sänger*innen statt.


5 Das Opernloft

Für unmittelbare Nähe ist man auch im Opernloft an der richtigen Adresse. Es liegt ein bisschen weit ab vom Schuss, ist aber gut zu erreichen, besonders, wenn man sich den Hamburger Hafen anschauen will. Das Opernhaus, dass für keine Oper länger als 90 Minuten braucht, selbst für Wagner, befindet sich im Alten Fährterminal Altona. Das außen industriell anmutende Theater ist unglaublich einladend. Nettes Personal empfängt einen direkt an der Bar im Eingangsbereich, an der auch die Kasse ist. Es gibt ein kleines Bistro mit Hafenterrasse inklusive leckerer Snacks und Getränke. Das Publikum ist bunt und viel jünger als an den meisten Opernhäusern; Opernerfahrung muss keine mitgebracht werden. Aufmerksam und begeistert sind alle, wenn die Oper sogar mal im Foyer beginnt und im Saal die Sänger*innen den gesamten Raum als Bühne nutzen, begleitet von einem meist sehr kleinen Ensemble. Oper beinahe zum Anfassen, einfach verständlich, nicht zu lang und unterhaltsam. Nicht umsonst nennen sie sich „Eventoper”. Ein recht neues Haus in der Stadt, dass hoffentlich noch viele Opernliebende und Neulinge begeistert.

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Opernloft
© Silke Heyer


6 Elbphilharmonie

Zu trocken die Akustik, zu teuer, zu viel Glas – was wurde und wird nicht alles über dieses neue Konzerthaus gesagt und geschrieben. Aus der Hansestadt ist das 110m über NN ragende Gebäude mit zwei Konzertsälen nicht mehr wegzudenken. Sie scheint alles zu überstrahlen, medial und auch in der HafenCity. Auf einem alten Kaispeicher gebaut, zieht sie nicht nur Konzertbesucher in den Bann. Schnell wurde der Tourismusmagnet zum Wahrzeichen der Stadt und der Große Saal einer der beliebtesten der Welt. Die Elbphilharmonie schafft es mit ihrer äußeren Gestalt schon, ein Leuchten in die Augen vieler zu bringen. Allein der Anblick des Großen Saales ist es in den ersten Jahren vielen Wert gewesen, ohne jegliche Erfahrung in ein Konzert mit modernster klassischer Musik zu gehen.

Ob Symphonieorchester aus aller Welt, das Residenzorchester des NDR, konzertante Oper, Alte Musik, Jazz, Pop oder Weltmusik – hier läuft alles und es läuft gut. Der Mythos Elbphilharmonie lebt. Allein das Dagewesensein hat für viele Bedeutung und wann hat man das in den letzten Jahrzehnten schon über Konzerthäuser sagen können?

Elbphilharmonie © Maxim Schulz
Elbphilharmonie
© Maxim Schulz


7 Hochschule für Musik und Theater – das Forum und die St. Johannis Harvestehude

Natürlich hat eine Stadt, die so viel Musik bietet, auch eine Ausbildungsstätte, wo junge Musiker*innen am Anfang ihrer Karrieren hervorragend gut sind und schon viele eigene Konzerte spielen. An der Hochschule für Musik und Theater – kurz HfMT – gibt es neben der in letzter Zeit viel besprochenen Jazzhall auch das Forum, wo es häufig fantastische Symphoniekonzerte oder Opernaufführungen gibt. Der Besuch des schönen Gebäudes der HfMT im sehr gut situierten Pöseldorf lässt sich natürlich immer gut mit einem Spaziergang an der Außenalster verbinden. Auch in den kleineren Räumen vor Ort, in der sehr nah gelegenen Kirche St. Johannis Harvestehude oder z.B. im Spiegelsaal des Museums für Kunst und Gewerbe kann man viele der Studierenden erleben. Es werden kreative Musiktheaterabende, Orchester- und Solokonzerte veranstaltet, die günstig, oft unglaublich gut und mit viel Herzblut gefüllt sind.


8 KomponistenQuartier

Wer nicht nur Musik hören möchte, sondern auch über die Musikgeschichte Hamburgs und seine Komponist*innen erfahren mag (oder zumindest die Personen, die gern mit Hamburg in Verbindung gebracht werden), sollte das KomponistenQuartier besuchen. Egal ob in Hamburg geboren oder auf Besuch, der Weg lohnt sich allein für die wunderschönen Gebäude. In der Nähe des Michels befinden sich fünf Museen in einem „Mikroviertel“ direkt nebeneinander. Das Museumsensemble widmet sich in schnuckeligen, historisch rekonstruierten Hamburger Bürger- und Kaufmannshäusern Brahms, Telemann, CPE Bach, Hasse, Fanny und Felix Mendelssohn und Mahler. Nicht nur spielt Mahler hier Mahler am selbstspielenden Steinway-Welte-Klavier, auch Kammerkonzerte gibt es in den Räumen ab und an. Wenn nicht live, so doch immer aus den Kopfhörern im jeweiligen Museum. Mit herrlich breiter Pflastersteinstraße ohne Autoverkehr und direkter Nähe zum Stadtgarten „Planten un Blomen“ zeigt sich Hamburg hier von seiner besonders schönen Seite.

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KomponistenQuartier
© Mark Pullinger


9 Kampnagel

Kampnagel oder: Es war einmal ein Off-Theater für zeitgenössische darstellende Kunst, das zum Staatstheater wurde. Sowas gibt es auch nicht überall. Kampnagel ist mehr als ein Theater, es ist ein Ort für sich, mit industriellem Charme mitten im Stadtteil Winterhude, an dem das Motto „jede*r ist willkommen“ gelebt werden will und es auch noch leckeres Essen gibt. In der ehemaligen Maschinenfabrik gibt es alles: Performance, Tanz, Karaoke, klassische Musik, modernes Musiktheater – meist politisch, etwas abseits des Mainstreams, immer sehr unterschiedlich.

Die Atmosphäre auf Kampnagel ist immer sehr offen. Alle können kommen, wie sie möchten, schick ist aber eher selten der Dresscode, wenn es überhaupt einen gibt. Ob drinnen oder draußen – das Sommmerfest ist noch mal eine ganz andere freie Kunstauslebungsübung über das gesamte Gelände – das Haus mit den vielen Räumen bietet so viel. Lesungen finden hier direkt neben Rapkonzerten, internationalen manchmal sehr nischigen Theaterdarbietungen und klassischen Konzerten statt. Staatstheater mal anders.

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Kampnagel: Internationales Sommerfestival
© Anja Beutler


10 Die Hochzeitskirche St. Johannis Eppendorf

Mal anders geht es auch hier. Mitten in Eppendorf an einer großen Straße steht sie, die kleine Kirche St. Johannis. Klein aber oho! Hamburger Hochzeitskirche wird sie auch genannt, weil sich hier jede Woche aufs Neue eine Menge Menschen trauen lassen. (Fast) jeden Samstag finden hier aber ebenfalls die Eppendorfer Johanniskonzerte statt. Um 18 Uhr geht es los, der Eintritt ist kostenfrei. Von kleinen Besetzungen bis zum großes Chorkonzert mit Orchester oder Orgel wird hier vieles geboten. Besonders für Hamburger Chöre, Hochschulprojekte und Professor*innen ist diese süße historische Kirche mit dem überschaubaren Innenraum und herrlicher Akustik ein Segen.

Wer also bei seinem Außenalsterspaziergang am Samstag an der nördlichen Spitze angekommen ist und nicht mehr in die Vierlanden fahren kann, um sich die alten Fachwerkkirchen anzuschauen, sollte sich diesen kleinen etwas jüngeren Schatz auf jeden Fall nicht entgehen lassen. Mit Glück singt oder spielt dort gerade jemand.