Hoffmanns Erzählungen nennt sich zwar opéra fantastique, ist jedoch ebenso comique wie tragique und somit ein gefundenes Fressen für Regisseure auf der Suche nach Herausforderungen. Für die Volksoper haben sich Renaud Doucet und sein Ausstatter André Barbe einen mutigen Mix ausgedacht, der zwar bunt, aber nicht harmlos ist: Schließlich hat der Teufel seine Finger im Spiel.
Grund für diese Arbeitshypothese ist nicht nur das Stück selbst, sondern auch dessen mysteriöses Schicksal: Immerhin forderte der Wiener Ringtheaterbrand 1881 unmittelbar vor der erst zweiten Vorstellung des Werks rund 400 Tote; 1887 gingen bei einem Brand in der Pariser Opéra Comique alle Orchesterstimmen verloren. Diese Brände werden in der vorliegenden Inszenierung mit einem rußigen Bühnenportal samt Festloge zitiert. In diesem Rahmen spielen sich Hoffmanns Frauengeschichten ab, von denen der Antonia-Akt exemplarisch hervorgehoben sei: In einem vereisten Zimmer à la Doktor Schiwago erscheint Antonias verstorbene Mutter (solide: Martina Mikelić) wie ein Mädchen aus der Torte, nur eben aus einer Art Eisberg; im weiteren Lauf der Dinge wird Antonia von einer Horde untoter Frackträger mit Simon Rattle-Frisuren und leuchtenden Stäben quasi zu Tode dirigiert.
Das klingt skurril, ist es auch, und trotzdem funktioniert diese Inszenierung dank ausgeklügelter Personenregie, in der sich eine Aktion aus der nächsten ergibt. Als roten Faden dachte man sich Offenbach als erratisch auftauchenden Begleiter des Stücks aus, doch dieses Kunstgriffes (dessen Sinn sich erst am Ende erschließt) hätte es nicht unbedingt bedurft. Zusammengehalten werden die bunten Bilder ohnehin durch das ewige Thema von Liebe und Tod, also Eros (viel nackte Haut, oder zumindest hautfarbene Ganzkörperanzüge) und Thanatos (Totenköpfe). Im Giulietta-Akt verschmelzen diese zwei Themen dann auf wundersame Weise in Bikinis aus Totenköpfen an wohlgeformten Tänzerinnen. Ist das nun teuflisch sexy, Liebestod einmal anders oder die Apotheose des Liebestöters? Das darf jeder für sich entscheiden. Jedenfalls macht man nichts falsch, wenn man dieser Inszenierung eine Chance gibt und sich überzeugen lässt, dass das, was blöd klingt, noch lange nicht blöd sein muss und es auch Ausnahmen vom vernünftigen „weniger ist mehr“ gibt.
Die Partie des Hoffmann ist nicht nur lang, sie verlangt auch nach einem Tenor mit einer großen Bandbreite an stimmlichen Möglichkeiten: Zu Beginn sind Leichtigkeit und Flexibilität gefordert, im Antonia-Akt lyrischer Schmelz und im Giulietta-Akt dann dramatische Kraft – da lernen auch Star-Tenören ihre Grenzen kennen. Umso angenehmer überrascht war man daher von Mirko Roschkowski, dessen angenehm helle Stimme mit seiner bärig-sympathischen Erscheinung kontrastiert. Roschkowski beeindruckte mit sauberer Technik, Höhensicherheit und kluger Krafteinteilung und stemmte so auch die großen Phrasen scheinbar mühelos.