Ein breit gefächertes Programm – von Lied über Oper bis hin zu Operette – hatte Lise Davidsen für ihr Solistinnenkonzert an der Wiener Staatsoper im Gepäck. Dass der Abend ausverkauft war, schien die norwegische Sopranistin beinahe zu überraschen, betonte sie doch bei den kurzen Moderationen zwischen den Werken immer wieder ihre große Freude über das zahlreich erschienene, euphorische Publikum. Angesichts des exzellenten Abends, den sie gemeinsam mit Pianist James Baillieu gestaltete, würde es aber zumindest mich nicht überraschen, wenn der nächste Auftritt an der Staatsoper nicht nur ausverkauft, sondern sogar überbucht ist.

Lise Davidsen © Wiener Staatsoper | Michael Pöhn
Lise Davidsen
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Mit drei Liedern von Edvard Grieg wurde der Abend von den beiden Künstlern eröffnet, wobei insbesondere das melancholisch schwelgerische Drømme den Blick in die skandinavische Seele auftat. Dabei nahm Davidsen, wie übrigens bei allen dargebotenen Liedern im Programm, ihre Stimme fein zurück, um den versteckten Nuancen und Zwischentönen des Textes Raum zu geben; gleichermaßen unprätentiös gestaltete Baillieu den Klavierpart. Skandinavisch ging es weiter mit Sibelius, in dessen für das Programm ausgewählten Liedern sich die emotionale Betriebstemperatur kontinuierlich steigerte und Davidsen mehr und mehr Feuer in die Interpretation legte. Dass sie jedes der Lieder nicht bloß sang, sondern den Text aufmerksam gestaltete, davon konnte man sich im zweiten Konzertteil dann auch bei Schubert überzeugen: hier lieferte die Sopranistin bei Gretchen am Spinnrade und dem Erlkönig packende Erzählkunst. 

Hoch emotional wurde der Abend, als Lise Davidsen „Dich, teure Halle” dem kürzlich verstorbenen Stephen Gould – an seiner Seite sang sie einst ihre ersten Tannhäuser-Vorstellungen – widmete und dabei sichtlich mit den Tränen kämpfte, was sie aber nicht davon abhielt, die technisch anspruchsvolle Arie scheinbar mühelos in leuchtendsten Farben strahlend zu interpretieren. Neben ihren weltweiten Engagements im deutschen Repertoire erobert sich Lise Davidsen in den letzten Jahren Stück für Stück auch das italienische Fach. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich an diesem Abend zeigte, denn auch wenn sie als Puccinis Manon Lescaut nicht ganz so fragil und verzweifelt klang, wie man es von einer Verdurstenden in der Wüste erwarten würde, konnte sie bei Verdi groß auftrumpfen. Da ließ sie etwa güldene Piani in Desdemonas „Ave Maria” durch den Raum schweben, setzte ebenso berührende wie schimmernde Spitzentöne bei „Morrò, Ma prima in grazia” und bezauberte als Leonora aus La forza del destino zunächst durch Schlichtheit und elegante Phrasierung, bevor die Stimme in den finalen Maledizione-Rufen zu beeindruckender Dramatik anschwoll; wild entschlossen erklang auch „Abscheulicher!… Komm Hoffnung” aus Beethovens Fidelio. Bei alledem erwies sich James Baillieu als idealer Begleiter am Klavier, denn er schaffte es, mit seinem expressiven Spiel vergessen zu machen, dass hier eben kein Orchester zu hören war.

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James Baillieu und Lise Davidsen
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Schlussendlich wurde dann auch noch die leichtere Muse angesteuert: Bei einem feurigen „Heia in den Bergen” aus der Csardasfürstin ließ sich sogar das Publikum zum Mitklatschen animieren und mit Loewes I could have danced all night schlossen Davidsen und Baillieu das offizielle Programm charmant beschwingt ab. Mit Toscas „Vissi d’arte” folgte jedoch auch bei den Zugaben noch ein wahres Highlight, denn wie elegant hier die Stimme zwischen innigem Gebet und dramatischer Verzweiflung changierte, sorgte für dreieinhalb Minuten pure Gänsehaut. Und so bleibt nach einem beglückenden Abend eigentlich nur zu hoffen, dass es der Direktion des Hauses gelingt, Lise Davidsen in Zukunft häufiger für Opernproduktionen – möglicherweise ja auch im italienischen Repertoire – an die Wiener Staatsoper zu locken!

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