Eine umweltfreundlich produzierte Oper – vorbildhaft! Eine Opernvorstellung, die generationsübergreifend besetzt ist – umso besser! Ein modernes Opernsujet, welches zeitnah die politische Wirklichkeit einfängt – jetzt wird es spannend. Ein künstlerisches Team, welches sich nichts weniger als eine radikale Systemveränderung auf ihre Fahnen geschrieben hat? Diese ehrgeizige Opernuraufführung von Ellen Reids The Shell Trial an der Dutch National Opera zeigt, dass unsere Klimakrise vor allem auch eine Krise der Verantwortung ist und stellt diese wichtige gesellschaftspolitische Frage unübersehbar in den öffentlichen Kunstraum.
Sie werden denken, dass dies alles zu viel des Guten ist... und Sie haben leider recht! Die aktuelle Inszenierung in Amsterdam ist jedoch nicht an ihren hochgesteckten Ambitionen gescheitert, sondern vor allem an praktischen Problemen der Ausführung. Für den Projektchor waren beispielsweise Kinder aus verschiedenen Schulen in Amsterdam und Almere ausgewählt worden. Dieses durchaus lobenswerte Beteiligungsprojekt und vor allem der gemeinsame Probenprozess hätten aber deutlich mehr Zeit verdient. Dasselbe galt für ein Gruppe von älteren Laientänzern, deren Mut und Engagement eine deutlich professionellere Begleitung und Einbettung verdient hätte.
Zurück zum Inhalt: Im Jahr 2021 wurde der Ölgigant Shell vor Gericht für seinen Anteil am Klimawandel verantwortlich gestellt. Shell ging in Berufung und in dieser Verhandlung wird es im nächsten Monat zu einem erneuten Urteilsspruch kommen. So ist The Shell Trial, ursprünglich ein Theaterstück von Anoek Nuyens und Rebekka de Wit, derzeit aktueller denn je. Im erweiterten Libretto von Roxie Perkins, kommen neben verschiedenen Stimmen der Klimadebatte auch die Ölförderung in den ehemaligen Kolonien der Niederlande ins Bild. Das Regieduo Romy und Gable Roelofsen machen im stärkeren ersten Teil der Oper überzeugend deutlich, dass gegenseitige Schuldzuweisungen uns nicht weiterbringen.
Die charismatische Lauren Michelle (The Law) leitet den Abend spielerisch mit einer kleinen Ansprache ein, bevor sie mit ihrer hell tragenden Sopranstimme das Singspiel beginnt. Der ideal besetzte norwegische Bariton Audun Iversen singt den weltgewandten Shell-Direktor, der lässig demagogisch den gierigen Konsumenten die Schuld in die Schuhe schieben will. Im Folgenden sticht vor allem Sopran Ella Taylor (The Activist) aus einem sehr homogenen stimmgewaltigen Sängerensemble hervor.