Ein bisschen staubig ist sie ja mittlerweile schon, aber auch in der 632. Aufführung erfüllt Margarethe Wallmanns Inszenierung von Giacomo Puccinis Tosca an der Wiener Staatsoper ihren Zweck mehr als zuverlässig. Einige Details vermisst man an diesem Abend zwar – etwa die langen Handschuhe, die Tosca am Ende des zweiten Akts in Scarpias Palazzo vergisst und die ihre Tat verraten – dafür gibt es endlich wieder ein bisschen Weihrauchgeruch im ersten Akt zu schnuppern, und dass Scarpias Schergen Tosca nicht vom Todessprung abhalten, ergibt auch mehr Sinn, wenn diese über den auf die Treppe geworfenen Mantel der Diva stolpern.

Elena Stikhina (Floria Tosca)
© Wilfried Hösl | Wiener Staatsoper GmbH

Mit Elena Stikhina stand an diesem Abend eine beinahe ideale Interpretin der Titelrolle auf der Bühne, da sie sich sowohl stimmlich als auch darstellerisch glaubhaft in Tosca verwandelt. So erschien sie kapriziert divenhaft in der Kirche, verkörperte die Mischung aus Angst und Stärke im zweiten Akt packend und stürzte sich in greifbarer Verzweiflung von der EngeIsburg. Und auch in der Stimme spiegelten sich all diese Gefühlsregungen in vielfältigen Klangfarben wider. Ihr Sopran floss dabei mühelos durch zart gestaltete Pianophrasen, verfügt über die nötige Attacke für dramatische Momente und ließ lediglich in den tiefen Lagen noch etwas an Substanz vermissen.

Vittorio Grigòlo (Mario Cavaradossi)
© Wilfried Hösl | Wiener Staatsoper GmbH

Als Cavaradossi bot Vittorio Grigòlo durchgehend 130%-igen Einsatz, wobei ein bisschen weniger mehr gewesen wäre: Ohne die hektisch in alle Richtungen ausgestreckten Arme hätte seine Darstellung des für die Freiheit kämpfenden Malers authentischer gewirkt und mit etwas weniger manieristischem Schluchzen wäre auch seine Interpretation des Gassenhauers „E lucevan le stelle“ ergreifender gewesen. Insbesondere im ersten und zweiten Akt konnte er allerdings seine stimmlichen Stärken voll ausspielen, denn dort ließ er seinen Tenor voll Schmelz überbordende Romantik im Duett mit Tosca verströmen und stattete die kämpferischen Momente höhensicher mit stählernem Kern in der Stimme aus. Neben den individuellen Leistungen von Stikhina und Grigòlo sorgte auch das Zusammenspiel der beiden dafür, dass die Geschichte dreidimensional mit Leben gefüllt wurde. Die Stimmen harmonieren ganz ausgezeichnet und auch die zwischenmenschliche Chemie ließ Funken sprühen – so nahm man den beiden das etwas egozentrische, aber leidenschaftlich verliebte Künstlerpaar im ersten Akt in jeder Sekunde ab und ließ sich von den mit großer Emphase geschmiedeten Zukunftsplänen im Finale dann auch beinahe dazu hinreißen, doch noch auf ein glückliches Ende zu hoffen.

Elena Stikhina (Floria Tosca) und Roberto Frontali (Baron Scarpia)
© Wilfried Hösl | Wiener Staatsoper GmbH

An Roberto Frontalis Scarpia gab es zwar gesanglich nichts auszusetzen, denn sein Bariton verfügt sowohl über das nötige Volumen für das Finale des ersten Akts als auch über eine farbenreiche Mittellage und die Fähigkeit elegante Pianophrasen zu gestalten. Dennoch war seine Interpretation – sowohl vokal als auch darstellerisch – nicht sonderlich spannend. Dieser Scarpia war weder ein eleganter, sadistischer Gentleman-Bösewicht noch ein ungehobelter, brutaler Schurke, sondern ein ganz banaler Mann mit zu viel Macht. So verpuffte die bedrohliche Wirkung des Auftritts in der Kirche im ersten Akt und auch im zweiten Akt fehlte es am diabolischen Funken. Mit großem schauspielerischen Einsatz stattete Clemens Unterreiner den Angelotti aus, Wolfgang Bankl gab einen bigott grantelnden Mesner und als Scarpias Schergen Spoletta und Sciarrone durften Andrea Giovannini und Attila Mokus finster dreinblicken; dabei erledigten sie alle auch ihre kurzen Gesangsparts mehr als zufriedenstellend. Überzeugend agierten auch der Kinderchor sowie der Chor der Wiener Staatsoper, der im Te Deum Homogenität und Klangkraft unter Beweis stellte.

Roberto Frontali (Baron Scarpia) und Elena Stikhina (Floria Tosca)
© Wilfried Hösl | Wiener Staatsoper GmbH

Das Dirigat von Marco Armiliato war gewohnt sängerfreundlich, ohne dabei auf große dramatische Ausbrüche zu verzichten, aber an diesem Abend auch ungewohnt langsam. Dass das Gehörte dennoch nicht zäh klang oder auseinanderzufallen drohte, lag zweifelsohne an der Qualität des Staatsopernorchesters, das selbst bei diesen Tempi die innere Spannung zu halten versteht. Geprägt war die Vorstellung von sonnig warmem Klang aus dem Graben, bei dem die Balance zwischen den Instrumentengruppen ideal funktionierte und die Solos – etwa Cello und Klarinette im dritten Akt – herrlich klagendes Sentiment verbreiteten.

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