Einer der ersten Kinofilme des Cineasten David Cronenberg war Stereo. In diesem kühnen schwarz-weiß gedrehten aufmüpfigen Experimentalfilm thematisiert der junge Cronenberg das Vertrauensverhältnis zwischen einem Wissenschaftler und seinen Versuchspersonen. Es ist ein noch immer aktuelles Thema, das der niederländische Komponist Peter Adriaansz mit musikalischen Mitteln im dritten Satz Stereo seines abendfüllenden Werks Environments untersucht.

<i>Environments</i> &copy; Ensemble Klang
Environments
© Ensemble Klang

Adriaanszs Kompositionen kennzeichnen sich durch einen systematischen und experimentellen, oft forschungsorientierten Zugang zur Musik. Klang, Struktur, Harmonie und hörbare Mathematik sind die Hauptbestandteile seines auf mittlerweile über 65 Stücke angewachsenen Œuvres. Für sein Scala II erhielt er 2015 den Matthijs-Vermeulen-Preis, den wichtigsten Kompositionspreis der Niederlande. Seit 2005 beherrscht die mikrotonale Reflexion von einzelnen wenigen Akkorden seine Arbeit. Adriaanszs vielfach elektronisch verformte Vibrationen, Schwebungen und engmaschigen Klangcluster dringen in den Körper seiner Zuhörer ein und können vor allen bei längeren Werken zu beinah halluzinatorischen Hörerlebnissen führen.

Für Environments verwendete er neben Cronenberg-Zitaten Texte von Carl Jung, Robert M. Pirsig und des Philosophen und Zen-Experten Alan Watts. Für seine Untersuchung kombiniert Adriaansz diese Texte mit minimalistischen musikalischen Mitteln und manipuliert unmerkbar unser Zeitgefühls. Der Zuhörer musste sich auf die 85-minütige, dreisätzige Komposition einlassen und eintauchen in eine klirrende Klangphantasie aus wirbelnden Klängen, gesprochenem Text und statisch fluoreszierenden immer gleichen Harmonien. Seine bewusst engmaschige musikalische Logik kombinierte Adriaansz erst nachträglich mit der konzeptuellen Ebene der ausgewählten Texte. Für den ersten Satz Solo wählte er aus Pirsigs Zen and the Art of Motorcycle Maintenance bewusst nur die Reisebeschreibungen aus, da sie für ihn am besten zur Musik zu passten.

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Environments
© Ensemble Klang

Environments ist zwar nicht das erste Werk von Adriaansz, das eine andere Sprache als die Musik verwendet, aber hier werden die Worte mit der ausdrücklichen und wichtigen Absicht gesprochen, sozusagen ins Ohr geschrieben, um der Musik einen Kontext zu geben.

Das neunköpfige Ensemble Klang arbeitet schon seit zwölf Jahren mit Adriaansz zusammen. Für die Aufführung im Amsterdamer Muziekgebouw hatte Sanne Rosbag einen gefühlvoll atmosphärischen Lichtplan entworfen. Vor allem das gedämpfte Rot zu Beginn des dritten Satzes sorgte für einen befreienden Lichtpunkt. Die Saalverstärkung ließ dagegen leider sehr zu wünschen übrig. Vor allem die große Menge gesprochenen Textes war unter der sich immer wieder aufbäumenden Klangmasse der Instrumentalmusik oft nur mühsam zu verstehen. Als im dritten Satz, für mich unsichtbar, drei Bläser vom Balkon aus das Ensemble verstärkten, waren sie lange Zeit nicht von den zu den übrigen Instrumenten dazu gemixten elektronisch erzeugten Klängen zu unterscheiden. Darüber hinaus waren zu diesem Zeitpunkt bestimmte hohe Frequenzen der Musik so laut angeschwollen, dass sich mehrere Zuhörer in meiner Umgebung gezwungen sahen, sich die Ohren zuzuhalten.

Was zu einer Totalerfahrung aus philosophischen Texten, experimenteller zeitgenössischer Musik, farbigem Licht und Raumklang werden sollte, verkam durch die undifferenzierte Klangqualität zu einer pulsierenden gleichförmigen Ursuppe aus einem einzigen Akkord.

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