Nach drei Konzertwochenenden mit Joana Mallwitz zum Saisonauftakt und gut drei Monate nach seinem offiziellen Abschied als Chefdirigent, ist Christoph Eschenbach zurück beim Konzerthausorchester in Berlin. Es ist der erste von mehreren Auftritten in dieser Saison nach dem Rücktritt. Gemeinsam mit Daniel Hope als Solisten präsentiert er ein aufreibendes Violinkonzert von Benjamin Britten und anschließend eine eher unterkühlt wirkende Sechste Symphonie von Piotr Tschaikowsky.

Daniel Hope und Christoph Eschenbach © Markus Werner
Daniel Hope und Christoph Eschenbach
© Markus Werner

Traurig, tragisch, tief in die Seele blickend: Ihre Leidenschaft und Menschlichkeit sind das, was die Werke von Britten und Tschaikowsky trotz all ihrer zeitlichen und klanglichen Unterschiede eint. Während Britten sein Konzert für Violine und Orchester im Angesicht der Schlacht von Guernica und des deutschen Überfalls auf Polens schrieb, beschreibt Tschaikowsky in seiner letzten Symphonie persönlichen Schmerz und Leiden. Wenig Trost, wenig Hoffnung, Seelenqual total scheint die geheime Überschrift von Eschenbachs erstem Konzert als emeritierter Chefdirigent zu sein.

Sanft aber durchschlagend, mit einem Pauken- und Beckensolo beginnt Brittens Violinkonzert. Schon die ersten Klänge kündigen das bevorstehende Unheil an. In den folgenden Minuten kreiert Eschenbach durch alle dynamischen Schwankungen einen spannungsgeladenen Klangteppich, der es Daniel Hope erlaubt, die Violine zum Sprechen zu bringen. Energisch und mit viel Verve meistert der Geiger das technisch höchst anspruchsvolle Werk. Intensiv, unerbittlich, lyrisch – gemeinsam finden Orchester, Dirigent und Solist eine gute Balance zwischen dem Grauen und der schwer fassbaren, bittersüßen Natur des Violinkonzertes.

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Konzerthaus Berlin
© Markus Werner

Als zweites Werk des Abends steht Tschaikowskys Pathétique auf dem Programm. Sanft, seicht und zurückgenommen startet Eschenbach in das letzte Werke des russischen Komponisten, welches wenige Tage vor dessen Tod zur Uraufführung kam. Im Verlaufe des Stückes wird allerdings schnell klar, dass der Fokus des Dirigenten trotz eher behäbiger Tempi weniger auf den leisen Tönen und der introvertierten Seelenqual denn auf brachialer Stärke und inszenierter Erregung liegt. Präzision, feine Dynamiken und ein herzangreifendes Klangbild scheinen in dieser Interpretation wenig Platz zu finden.  

Stattdessen verströmen fast alle Sätze eine enorme Energie, die jedoch mal um mal auf Kosten der Emotion geht. Immer wieder versuchen Dirigent und Orchester die Melodien in all ihrer Ausdruckskraft zu erschöpfen, finden aber nicht den notwendigen Gegenpol. Effektvoll klingt das zwar, aber doch bleibt die Frage nach dem Warum unbeantwortet. Der beunruhigende Subtext, der Tschaikowskys Werke so viszeral-gefühlvoll macht, geht ein um das andere Mal verloren. Fast ewiglich verharren das Konzerthausorchester und sein ehemaliger Chefdirigent nachdem der letzte Ton verklungen ist. Der Applaus anschließend ist fast so unterkühlt wie die Interpretation.

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