Ein Abend ganz im Zeichen von Clara Schumann war im Rahmen der Styriarte im Grazer Kammermusiksaal angesetzt; und eine bessere Besetzung hätte das Festival wohl gar nicht finden können. Denn mit Ragna Schirmer stand eine ausgewiesene Schumann-Spezialistin auf der Bühne, die in den letzten Jahren anhand von erhaltenen Programmzetteln die Konzerttourneen von Clara Schumann und die dabei gespielten Programme rekonstruiert hat. Daher stellte Schirmer den ausgewählten Werken auch jeweils eine kurze Moderation voran, sodass der rote Faden des Programms für das Publikum greifbar wurde.

Ragna Schirmer © Nikola Milatovic
Ragna Schirmer
© Nikola Milatovic

Vorbild für die Vorstellung war nämlich ein Klavierabend, den Clara Schumann im Jänner des Jahres 1859 in einem mittlerweile nicht mehr existierenden Grazer Konzertsaal gegeben hat. Und 164 Jahre danach wähnte man sich dank des Pleyel-Flügel von 1846, den Schirmer spielte, an diesem Abend nicht nur inhaltlich, sondern auch klanglich wie auf einer Zeitreise zurück in die Romantik. Eröffnet wurde das Programm dabei mit Beethovens Waldsteinsonate, in der einerseits der transparente Klang des Hammerklaviers und andererseits die traumwandlerische Sicherheit der Pianistin selbst in den rasantesten Trillern und Läufen beeindruckten. Verträumt ging es mit samtenen Farben bei Chopins Nocturne in fis zu und diese mystisch-nächtliche Stimmung verströmte Schirmers Spiel auch Des Abends und Traumes Wirren aus Robert Schumanns Fantasiestücken, bevor bei Mendelssohns Rondo capriccioso wieder technischer Glanz auf spritzige Interpretation trafen. 

Der zweite Konzertteil war in Folge der privaten und künstlerischen Kollaboration zwischen Clara und Robert Schumann gewidmet, wobei Schirmer die Werke mit ihrer Moderation wieder in den historischen Kontext setzte. Erst 13 Jahre alt war Clara Wieck, als sie ihre Quatre pièces caractéristiques komponierte, in denen sie vom Hexensabbat bis hin zu einem Geisterballett kurze Episoden vertonte. Schirmer gestaltete die Charakterstücke nicht nur mit spielerischer Leichtigkeit, sondern auch mit schillerndem Farbenreichtum, wodurch jedes der vier Stücke seinen ganz eigenen Reiz entwickeln konnte: So erklang beispielsweise der Sabbat forsch peitschend, während in der Romance zarteste Facetten zum Glänzen gebracht wurden und die Scène fantastique beinahe wie der atmosphärische Soundtrack eines Geisterfilms wirkte. Robert Schumanns Carnaval spielte Schirmer schließlich in Claras Fassung und erklärte vorneweg die Besonderheiten dieser Version: auf einige der 23 Charakterstücke war Schumann nämlich wohl nicht gut zu sprechen – etwa die beiden Alter-Egos ihres Mannes, dessen Ex-Verlobte oder seine Lieblingsprostituierte – sodass sie diese im Rahmen ihrer Konzerte schlichtweg strich und eine gekürzte Fassung kreierte, in der das ihr zugedachte Stück Chiarina im Zentrum steht. Die verschiedenen Charaktere mit ihren Eigenheiten, die Schumann in Klang verewigt hat, erweckte die Solistin hier vielschichtig und detailreich zum Leben, wobei sie einmal mehr Virtuosität und Ausdrucksstärke verband.

Dank der Programmgestaltung und -umsetzung von Ragna Schirmer war dieser Abend nicht nur musikalisch grandios, sondern bot eine ebenso kurzweilige wie lehrreiche Hommage an Clara Schumann, die es wahrlich verdient hat, endlich nicht mehr nur als „die Ehefrau von Robert Schumann”, sondern als eigenständige Künstlerin ihrer Zeit erinnert zu werden. 

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