Nachdem das Ensemble La Petite Écurie mit The Queen’s Favourites der Historie der in Versailles durch Hotteterre und Philidor beherrschten Oboenband und generell des durch sie entwickelten Blasinstruments am Beispiel des mit Paisible etablierten englischen Hofes nachgegangen war, nahm es sich – freilich nochmals mit Referenzen an Themse und Seine – bei No Strings Attached ihrem daraus tradierten und gewachsenen, durch kompositorischen Stil teils übernommenen Vorkommen in Deutschland vor. Es ist gedanklich eingebettet in ein provokant-unterhaltsames, rein fiktives, gleichwohl auf historischen Daten aufgebautes Tagebuch Johann Christian Schieferdeckers mit Arrangement-Musik Händels, Purcells, de Boismortiers, des damals auch in Deutschland weit verehrten Vivaldi, Keisers und Schieferdeckers selbst, das beim Bonner Beethovenfest live zu Gehör kam.

La Petite Écurie © Gleiß
La Petite Écurie
© Gleiß

Jenes Festival steht in dieser Ausgabe unter dem Motto „Alles ultra“; und ultragenial ist das kreative Gesamtkonzept der Petite Écurie, das durch den von Schlagwerker Philipp Lambrecht vorgetragenen Text Eva Ximena Traas für Schieferdeckers Tagebuch sowohl eine dramaturgische und edukative als auch eine erklärende Basis für die Arrangements und eigene Ensembleexistenz schafft. So kombiniert das von Traa ermittelt bescheidene, doch zugleich unverhohlen selbstbewusste, sprachlich und gedanklich ins beginnende 18. Jahrhundert passende Eigenbild Schieferdeckers die Werke genauso auf verständliche Weise wie es den heute eher unbekannteren Komponisten oder mit den Charakterisierungen der Kollegen die Person Keiser sowie das Plädoyer für die Oboenband gegenüber den problematischen Streichern auf Grundlage des Vorworts zu den Musicalischen Concerten dem Publikum auf amüsante Art näher bringt.

Getreu historischen und weiter seinen einnehmenden Effekt nicht verfehlenden, aber ensembleeigen modern-unverkrampften, musik- und vermittlungsfreudigen Ursprungs zogen Miriam Jorde Hompanera (Oboe), Valerie Colen (Oboe), Marc Bonastre Riu (Oboe und Taille), Giovanni Battista Graziadio (Fagott) und Lambrecht (Schnurtrommeln, Tambourin, Kastagnetten) mit einem Curtain tune aus Purcells Timon of Athens zu den Altarstufen der Meckenheimer St. Johannes-Kirche ein, um den Grundstein für ihre frischen wie erhabenen, ansteckenden und ultrastimmigen Rhythmen, Phrasierungen und Dynamiken zu legen. Vor allem in de Boismortiers folgender Sonate en quatre parties, Op.34 Nr.6 überwältigte dann ein betonter Affektreichtum, der durch das Klangvolumen die fast streichernatürlichen Atembögen nochmals aufwertete.

Solche Fülle bestand neben der lebendig-technischen Versiertheit sowie munteren Akzent- und theatralischen Interaktionslust der Petite Écurie, die auch die weiteren Stücke bestimmte. So die Auszüge aus Händels Concerto grosso, Op.3 Nr.4 mit noch unterstrichen royal-majestätischerem Gestus, elegant-würdigerer Tiefe und flüssiger, virtuos exponierter Wendigkeit. Oder jenen aus Schieferdeckers Musicalischem Concert Nr. 8, das selbstverständlich an zentraler Stelle schelmische und Geltung gewinnende Inspiration zog aus den vorherigen Worten und beneidetem Händel, weshalb distinguierte Wärme und tänzerisch-flotte, mitreißende Wandlungsmöglichkeit dort anschaulich und genüsslich hörbar Hand in Hand gingen.

Schien damit auch Vivaldis Concerto RV 153 mit noch prominenterem Fagott abermals gewichtiger, eindringlicher und sentimentaler als es das g-Moll sonst schon besorgt, lieferten die Beispiele aus Keisers Ouverture à 4 in D, unter anderem mit doppeltem Trommeleinsatz samt Schlägel und Kranznutzung, in finaler Gigue mit hochgereckten Oboen der antiphon platzierten Erst- und Zweitstimme Jordes und Colens, flamboyantesten und kecksten Beweis für die Klasse dieses Programms und dieser Oboenband.

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