Schon zum dritten Mal präsentierte sich gestern Abend das MIAGI Orchester in Amsterdam. MIAGI steht für „Music is a great investment” (Musik ist eine großartige Investition). In der 2001 gegründeten südafrikanischen Organisation spielen Musiker aus allen sozialen Schichten und Regionen Südafrikas. Verschiedene musikalische Bildungsprogramme sollen jungen Südafrikanern dabei die Möglichkeit geben, ihre Zukunft zu verbessern. Für die laufende Europatournee mit weiteren Konzerten in Hamburg, Berlin und beim Schleswig Holstein Festival arbeitet das Orchester mit der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zusammen. Neun hervorragende Schlagzeugstudenten aus Wien verstärken für dieses Projekt das 47 köpfige MIAGI-Ensemble aus Südafrika.

Das anspruchsvolle Programm mit dem Titel Auf der Suche nach dem afrikanischen Fußabdruck will aufzeigen, wie afrikanische Musik durch den Sklavenhandel in Länder wie Mexiko, Kuba und Nordamerika gelangte. Es enthält neben gefestigten Namen wie Gershwin und Revueltas auch Arrangements von Jazz-Klassikern und neue Werke von drei jungen südafrikanischen Komponisten aus dem MIAGI-Kompositionsprogramm.
George Gershwin war ein produktiver Komponist. Trotz seiner intensiven Tätigkeit als Pianist und Dirigent schrieb er in 25 Jahren neben seinen bekannten Konzertwerken unzählige Musicals mit darin mehr als 500 Liedern. Nach einem kurzen Ferienaufenthalt 1932 in Havanna schrieb er im selben Jahr seine von kubanischer Musik inspirierte dreiteilige Cuban Overture. Das MIAGI Orchestra spielte daraus zum Anfang die Rumba in einer Bearbeitung für kleine Besetzung mit nur vier Holzbläsern und einem Horn. Die klein besetzte Streichergruppe wurde ebenfalls elektronisch verstärkt. Leider war das hieraus resultierende klangliche Resultat vor allem in der ersten Hälfte des Konzerts oft nicht ideal, bei den Streichersoli in Miles Davis Blue in Green sogar gänzlich unbefriedigend.
Der schwedische Saxophonist und Komponist Anders Paulsson ist schon fast so etwas wie ein Hauskomponist für MIAGI. 1993 spielte er für Nelson Mandela, als dieser den Friedensnobelpreis erhielt und 20 Jahre später komponierte er seine fünfteilige Celebration Suite zur Feier von 20 Jahren Demokratie in Südafrika im Auftrag von MIAGI für deren Europatournee Tournee 2014. In der Suite verarbeitete Paulsson mehrere südafrikanische Lieder, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Apartheid gespielt haben. In Amsterdam trat er auch als Solist auf in einer auf drei Sätze reduzierten Fassung dieser Suite. Die junge MIAGI Bratschistin Chevónne Plaatjies durfte für dieses Stück den Dirigentenstock von David Panzl übernehmen. Sie überzeugte durch ihren deutlichen Schlag und mit inspirierender (Beg)leitung.
Ein weiterer Musiker des MIAGI Orchestra, Kontrabassist Viwe Mkizwana, gibt mit Black Child ein ergreifendes und kraftvolles Bekenntnis für den immer noch andauernden Kampf für Gerechtigkeit und Gleichheit. Mkizwana leitete sein Stück mit einem gezupften und gut getimten swingenden Solo ein, welches sich direkt an das Stück von Miles Davis anschloss.
Auch in der Musik des Mexikaners Silvestre Revueltas, mit dem das MIAGI Orchestra den zweiten Teil des Konzerts eröffnete, klingen afro-kubanische Einflüsse durch. In Musica para charlar, ursprünglich eine Filmmusik für den Film Ferrocarriles de Baja California, formte er eine Auswahl daraus zu einer zweiteiligen Suite um. Construction vertont den Bau dieser mexikanischen Eisenbahnlinie, der zweite Satz, The Desert, ist eine Ode an die mexikanische Wüste.
In Soweto Protocol beschreibt der österreichische Schlagzeuger, Arrangeur und Dirigent David Panzl die die Metamorphose Südafrikas von der Ära der Apartheid zur heutigen Demokratie. Das Stück, dass in Amsterdam seine Uraufführung erlebte, beginnt mit einer düsteren Einleitung und ist deutlich von den farbenfroher Filmmusik inspiriert. Seiner Ausbildung entsprechend bekommt das sehr vielseitige Schlagzeuginstrumentarium viel Raum bevor Soweto Protocol in ein in ein spritzendes Finale übergeht.
Der Pianist und Arrangeur Musawenkosi Mdluli, komponierte sein eingängiges Missing Soest 2015 in Deutschland. Er ist ebenso ein weiteres langjähriges Mitglied des MIAGI Orchestra wie Saxophonist Tshepo Tsotetsi, dessen A Bubble is a Nice Friend to Have seine Mitmusikanten zum Mitsingen inspirierte. In diesem Stück hört man eine Fülle von Musikstilen von Kiba, Hip-Hop, Kwaito bis zur traditionellen Musik der Sotho, Tswana und Zulu. Auch hier waren neben den Komponisten die hervorragend improvisierenden Blechbläser und Saxophonisten zu Recht gefeierte Solisten.
Aber das Beste musste noch kommen: Joe Zawinuls Birdland in einer das Orchester zu Höchstleistungen katapultierenden Bearbeitung von Prantl und Geiselhart setzte diesem energievollen Abend die Krone auf. In der auf einem von Tsotetsi gebrauchten Rhythmus inspirierten Zugabe ließ Panzl seine Musiker minutenlang ekstatisch swingend austoben.