Im Rahmen ihrer Herbsttournee, die sie in der letzten Woche unter anderem auch zu den BBC Proms oder nach Ljubljana geführt hatte, kamen die Wiener Philharmoniker und Dirigent Franz Welser-Möst nun für die letzte Station vor der Saisoneröffnung in Wien in den Grazer Stefaniensaal. Das Konzert stand dabei unter dem Motto „80 Jahre Zweite Republik“, weshalb im Publikum für Grazer Verhältnisse ungewohnt viele Ehrengäste saßen, die wohl alle anlässlich dieses Jubiläums gekommen waren.

Franz Welser-Möst © Sebastian Fröhlich
Franz Welser-Möst
© Sebastian Fröhlich

Eröffnet wurde der Abend dann auch feierlich mit Grußworten von Intendant Michael Nemeth, Vorstandsmitglied Irmgard Griss und Lindsay Skoll, der britischen Botschafterin in Wien, die in ihrer Rede auf ein wichtiges historisches Detail verwies: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es nämlich die Briten, die in Kärnten und der Steiermark dafür sorgten, dass das kulturelle Leben wieder aufgenommen werden konnte.

Am Programm stand zunächst Mozarts Symphonie Nr. 38 in D-Dur, die „Prager“, die er 1786 komponiert hatte. Während sein Figaro in Wien nicht mit großem Erfolg eingeschlagen hatte, wurde er in Prag mit Begeisterung aufgenommen, und die neue Symphonie war eine Art Dankeschön an das Publikum. Welser-Möst wählte für dieses Werk eine sehr elegante Herangehensweise, die drei Sätze perlten in seiner Interpretation wie feiner Schaumwein. Einerseits klang das alles sehr schön und heimelig: Die Streicher strahlten mit dem für die Philharmoniker typischen Goldglanz, die Holzbläser versprühten herbstliche Wärme und Leichtfüßigkeit mischte sich mit dynamischem Spannungsaufbau; doch andererseits kratzte die Aufführung auch stets hart an der Grenze zur Belanglosigkeit. Mozarts Musik verträgt Überraschung, Witz und manchmal sogar einen gekonnt platzierten Bruch – hier blieb es allerdings beim reinen Wohlklang.

Im zweiten Teil des Abends folgte Tschaikowskys Symphonie Nr. 6 in h-Moll, die „Pathétique“, laut dem Komponisten selbst das „beste Werk, das er je geschaffen“ habe. Sowohl die Wiener Philharmoniker als auch Welser-Möst hegen eigentlich eine lange Beziehung und innige Liebe zu Tschaikowsky, doch auch in der zweiten Konzerthälfte nach der Pause zog sich das Motto des Dirigenten, das „nur nichts riskieren und ja nicht zu viel emotionale Tiefe“ zu lauten ließ, durch.

Die Pathétique kann im besten Fall erschütternd, aufrüttelnd, zu Tränen rührend sein. An diesem Abend aber bekam man vor allem ebenso brave wie präzise Klangschönheit zu hören. Da seufzten die Geigen zwar, aber sie heulten nie in purer Verzweiflung auf; die Soloklarinette lieferte schönsten Lyrizismus, ohne allerdings jemals das innerste Leiden der Seele abzubilden. Natürlich wurde vieles wunderbar gestaltet: Der feurige Walzer im zweiten Satz sprühte regelrecht vor Leichtigkeit und Schwung (in Sachen Walzerkompetenz kann den Wiener Philharmonikern sowieso niemand das Wasser reichen!) und das packende Crescendo des dritten Satzes wurde dynamisch fein differenziert herausgearbeitet, sodass es in vielschichtigen Farben in den Saal gemalt wurde. Aber wenn man nach den in Moll ersterbenden letzten Klängen des finalen Satzes kein bisschen emotional mitgenommen ist, dann fehlt einfach etwas.

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