Nachdem ich Purcells The Fairy Queen durch Vox Luminis im Juni bei Klangvokal Dortmund erlebt hatte, bei dessen Aufführung kaum ein Wunsch offen geblieben ist, verlangte meine innere Stimme erst recht nochmals drängender danach, endlich auch den King Arthur des wallonischen Ensembles zu hören. Denn schon vorab stieg die baldige Erfüllungshoffnung, ebenfalls jene Semi-Oper physisch live zu erwischen, für einen Barock- und insbesondere expliziten Purcell-Fan wie mich in beinahe unermessliche Höhen, je öfter ich darüber hinaus die vor über sechseinhalb Jahren für TV festgehaltene, mittlerweile berüchtigte Produktion aus Antwerpen gesehen hatte.

Den persönlichen Hintergrund mit den einleitenden Ich-Bezügen transparent gemacht, kann es deshalb nicht verwundern, dass mich bei jetziger Realisierung beim Alte-Musik-Festival Lüttichs, Les Nuits de Septembre, das Vox Luminis‘ 20. Jubiläum mit einer kleinen Residenz gebührend feierte, gleichzeitig erstes Saisonkonzert der „Musiques anciennes“-Reihe des Salle Philharmonique, die Begeisterung einholte. Dabei birgt gerade eine besondere Freude das große Risiko, doch etwas enttäuscht zu werden. Nicht so eben an diesem Abend, der durch Vox Luminis‘ vokal wie instrumental deliziöse, conconwürdige Klangsprache und Artikulation sowie Isaline Claeys‘ Konzeption und Texte auch in selbstverständlich teils stärker veränderter Besetzung zu 2018 abermals ein verblüffend stimmiges Abbild dieser dramatischen Masque schuf.
Denn wie von Purcell und seinem Dichter John Dryden 1691 beabsichtigt, fügten sich sowohl die Rezitationen, die für das französischsprachige Publikum Schauspieler Laurent Bonnet in phonetischer Liaison zum historisch passenden frankophilen Touch des Englischen des Ensembles vortrug, als auch die darstellerisch nicht überladenen, sondern ernsten wie augenzwinkernden, recht rasanten, ab und zu auch die Zuschauerparterre nutzenden wie lässigen Aktionen in organischer Weise in die Aufführung ein. Rezitationen, die der ansonsten losgelöst etwas sperrigen, mystischen Herrschaftsstory um christlichen, sagen- und zauberumwobenen Britenkönig Arthur und heidenokkulten Sachsenfeind Oswald mit figürlichem Zankapfel Emmeline erläuternd-griffige, persönlich-nahbare Züge verliehen.
Zurück zur Erwartung: Schon als ich dann vorab erfuhr, dass Sebastian Myrus, der neben Leiter, Bass und mit Sopranblockflöte „bewaffnetem“ Lionel Meunier mit Zsuzsi Tóth (tief rauer, ansonsten trotz Anstrengung lieblich rein als Nymphe, Sirene und Venus), Jan Kullmann und Olivier Berten am längsten zum Stamm des Ensembles gehört, nun mit Rudolf Lörinc und Moritz Görg eines der hervorragendsten Trompetenduos, Perkussionsikone Koen Plaetinck, Bariton Marcus Farnsworth sowie die Sopranistinnen Carine Tinney und Viola Blache zum Konzertaufgebot gehören würden, versprach sich mir gewünschte Klasse. Konkret eingelöst, indem Plaetinck zur Overtürenmusik ritualgerecht mit schellenlosem Großtambourin die Orgeltreppe des wunderschönen Saals herunterschritt und während des Abends weitere Male in Bewegung mit Pauken, Schellen, Militärtrommel, Tambourin und Windpfeife verlässlich eindrücklich für Stimmung sorgte. Ihm assistierte, wie zuletzt in Dortmund, in großer Bewunderung zusätzlich zum natürlich auswendigen Singen Helene Erben.
Auch die Trompeten marschierten auf die Bühne, logischerweise zu Schlacht und Sieg für den fünften Akt, in dem Lörinc vor der feierlichen trumpet tune ein fabelhaft thronendes Symphony-Solo blies. Dass immer wohlig-akkurater Myrus als Cold Genius ausgerechnet in der selbsternannten „feurigen Stadt Lüttich“ von Cupid Tinney mit edler, warmer, klar artikulierter, sublimer Tongebung und stilechter Phrasierung hemdsärmelig rubbelnd enteist wurde, war ein ortsbezogener lustiger Zufall. Auch die Belgien und Großbritannien verbindende Bierleidenschaft, mit der Schäfer und nationalstolze wie liebessehnsüchtige Briten ihre Party überzeugend „voll“-mundig, football-„worthy“ begingen. Nachdem sich archetypisierte Sie (Blache mit leichter, leuchtender Höhe und Ausstrahlung) und Er (kräftigerer, aber auch top-lichter Farnsworth) als zunächst ungleiches Paar dann tatsächlich gefunden und Tinney die Hymn to Saint George freudig erhaben intoniert hatten, konnte meine Lobesarie auf Vox Luminis hiermit folgen. Sei auf das Ensemble und weitere zwanzig Jahre unvergesslicher musikalischer Momente angestoßen!