Man liest die Besetzung und reibt sich die Augen: Die Ausführenden sind der amerikanisch-armenische Pianist Sergei Babayan (62), der deutsch-amerikanische Geiger Augustin Hadelich (39) und der russisch-lettische Cellist Mischa Maisky (75). Zusammen interpretierten sie in der Kirche von Verbier das berühmte Dumky-Trio von Antonín Dvořák. Drei berühmte Musiker der klassischen Szene also, die aber keine feste Formation bilden und normalerweise nicht miteinander musizieren. Am Verbier Festival werden solche „Rencontres inédites”, wie sie hier genannt werden, immer wieder Realität.

Ermöglicht werden sie von Martin T:son Engstroem, dem Direktor und Gründer des Festivals, der nicht müde wird, die Idee der Künstlerfamilie zu beschwören. Die Musiker und Musikerinnen bleiben meistens mehrere Tage, oft während des ganzen Festivals in Verbier und treten als Solisten und Kammermusiker auf, einige wirken auch als Dozenten in der Festival Academy mit. So war Babayan bereits in einem Klavierrezital zu hören, Hadelich präsentiert Partiten für Violine solo von Bach, und Maisky wirkt in verschiedenen Kammermusik-Ensembles mit.
Die künstlerischen Resultate der „Rencontres inédites” sind unterschiedlich. Im Fall des Dumky-Trios konnte man sich des Eindrucks einer Routine-Interpretation nicht erwehren. Jeder der drei Musiker hat seinen Part bestimmt schon unzählige Male gespielt, aber im Zusammenspiel wollte sich keine wirkliche Einheit einstellen. Maisky intonierte nicht immer makellos, Babayan leistete sich gelegentlich kleine Patzer, und im Rhythmischen klappte nicht alles perfekt. Was das Vibrato der Streicher betrifft, wendete der Cellist es exzessiver an als der Geiger. Einigkeit herrschte immerhin in allen sechs Sätzen darüber, den Kontrast zwischen den langsamen und den schnellen Teilen deutlich herauszuspielen. Der Charakter der Dumka mit ihrem typischen Wechsel von ausgedehnten melancholischen und kurzen euphorischen Abschnitten, die Dvořák auch in anderen Kompositionen verwendet, wurde dabei sinnfällig umgesetzt.
Nach der Routine dann im zweiten Teil des Konzerts die Spielfreude. Auf dem Programm stand das Klavierquintett in a-Moll, Op.84 von Edward Elgar, dargeboten von einer komplett ausgewechselten Crew. Von Alter und Bekanntheitsgrad her könnte die Zusammensetzung nicht unterschiedlicher sein. Der Violinist Renaud Capuçon und der Bratscher Lawrence Power, beide internationale Solisten und Kammermusiker, die Geigerin Alexandra Conunova, auf dem Weg zu internationaler Beachtung, sowie der Pianist Alexandre Kantorow und der Cellist Sheku Kanneh-Mason, zwei junge Rising Stars der Klassik-Szene, inszenierten sich als Ensemble.
Die Probleme traten gleich zu Beginn des ersten Satzes zutage: Der Pianist, der das pseudo-gregorianisches Thema vortrug, führte zu wenig, während die unheimlichen Begleitfiguren der Streicher zu laut und zu harmlos erklangen. Insgesamt gelangen die extravertierten Partien des Satzes prächtig, während kaum je ein wirkliches Pianissimo vorkam. Die Hintergründigkeit dieser Musik trat so überhaupt nicht in Erscheinung. Das Adagio machte einen besseren Eindruck. Angeführt vom Bratschisten mit seinem beseelten Thema, zeigten sich die vier Streicher im anschliessenden Fugato als homogene Truppe. Der Pianist, der sehr feinfühlend mitwirkte, hätte seinen Gegenpart mit noch kräftigeren Farben gestalten dürfen. Eine fulminante Interpretation legte das Quintett im Schlusssatz hin. Wenn man hier etwas kritisieren wollte, war es die mangelnde Schärfe beim charakteristischen Synkopenthema. Insgesamt riefen aber die gute Kommunikation und die sichtbare Spielfreude der fünf Musiker die hörbare Begeisterung des Publikums hervor.
Etwas augenzwinkernd kann man den Abend so zusammenfassen: Die Moral von der Geschicht’, ein grosser Name bürgt für Wirkung nicht. Sind es gar mehrere mit Tasten und Bogen, so ist die Wirkung recht durchzogen.
Die Kosten von Thomas Schachers Pressereise (Zug und Hotel) wurden vom Verbier Festival übernommen.