Während man in Frankfurt vergeblich nach einem Kammermusiksaal sucht, der elegante, zeitgemäße Architektur mit hervorragender Akustik verbindet, hat sich die Kronberg Academy im benachbarten Taunuskreis diesen Traum vor zwei Jahren erfüllt. Der Casals Saal, das neue Zuhause der Ausbildungsstätte für junge Streicher- und Klaviervirtuos*innen, wurde 2022 eröffnet. Dieser bietet ein reichhaltiges Programm mit aufstrebenden sowie etablierten Künstler*innen. Zur letzteren Kategorie zählt zweifelsohne der international gefeierte Pianist und Dirigent András Schiff, dem in Kronberg eine Reihe von Konzerten gewidmet wird.

Julian Prégardien © Peter Rigaud
Julian Prégardien
© Peter Rigaud

Als Überraschung zugleich zu Beginn des Programms präsentierte Schiff – laut Kronberg Academy als eine Art spontanes Geschenk – Schuberts Klaviersonate in G-Dur, D894. Ein Werk, das eindringlich die Melancholie und Einsamkeit der Schönen Müllerin widerspiegelt. Doch noch vor der Sonate überraschte Schiff das Publikum erneut: Statt der angekündigten Sonate spielte er Schuberts Allegretto in c-Moll, D915, das er als eine vorangestellte Zugabe einführte, da eine Zugabe nach der Sonate und dem anschließenden Liederzyklus nicht mehr passend schien.

Schiff spielte auf einem Wiener Hammerklavier aus den 1820er Jahren, gefertigt von Franz Brodmann, und nutzte die herausragende Akustik des Saals meisterhaft aus. Sein feinsinniges, leises Spiel drang bis in die entferntesten Ecken des Raums und sein sanfter, doch pointierter Anschlag zeugte von einer tiefen Vertrautheit mit dem historischen Instrument und den Kompositionen Schuberts.

Für Julian Prégardien, einem gleichsam gefragten wie versierten Künstler, ist Die schöne Müllerin ein Werk, das er seit vielen Jahren interpretiert und zuletzt auch auf CD eingespielt hat. In diesem Konzert verlieh der Tenor seiner Darbietung eine fast naive Spontanität und Unbedarftheit, wie sie nur wenigen Künstler*innen gelingt. Gleich wüsste er selbst nicht, wohin ihn dieser Abend bringen würde, gestaltete er das erste Lied mit einem unbedarften kindlichen Optimismus, sein eigenes, unvermeidliches Unglück noch nicht ahnend, und trat an jedes weitere Lied mit einer unvermittelten Spontanität heran, die ihn und das Publikum stets den Moment, das Hier und Jetzt, begreifen ließ.

Prégardien lotete die Möglichkeiten und Grenzen der Lieder aus – mal hoch schwebend, oktavierend mit zart strahlendem Falsett, mal aus tiefster Inbrunst herausbrechend. Dadurch zeigte er sowohl die Einzigartigkeit seiner klaren Tenorstimme, seinen künstlerischen Intellekt, als auch seine jahrelange Auseinandersetzung mit Schuberts Zyklus. Der Höhepunkt seiner emotionalen Darstellung war das Lied Der Jäger, in dem er die aufgestaute Wut des Gesellen mit einer fast rasenden Geschwindigkeit und Dramatik zum Ausdruck brachte.

András Schiff bewies sich als kongenialer Begleiter, der nicht nur zuvor als Pianist glänzte, sondern ebenso die Vielschichtigkeit des Liedgesangs mit seinem Spiel dezent einfing und instrumental verstärkte. Das Klavier wurde so zur zweiten Stimme, die Prégardien elegant umspielte und unterstützte.

Das Konzert bot durch die unerwarteten Zugaben und die spontane Gestaltung einen seltenen Genuss – selbst für erfahrene Konzertbesucher*innen. Die Kronberg Academy hat damit ein Konzerterlebnis ermöglicht, nach dem sich viele sehnen, das jedoch immer seltener zu finden ist.

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