Szenen einer Ehe, so lautete das von Thomas Hengelbrock und seiner Frau Johanna Wokalek aus Duetten aus Mozarts Opern konzipierte Pasticcio für die diesjährig stattfindende Salzburger Mozartwoche. Dass diese wegen der anhaltend hohen Covid-19-Infektionszahlen nur digital zum Publikum gebracht werden könnte, war absehbar; dass aus den angekündigten Nummern zur zweckmäßig bilateralen Darstellung der Konflikte, Entzweiungen, Sich-Wiederfinden-Bemühungen und Versöhnungsmomente schlussendlich nur die einseitige Entäußerung der Ehefrau alias Susanna, Pamina und Zerlina werden würde, nicht unbedingt. Dies tat dem Drama und Nachempfinden emotionaler Herausforderungen, deren versprochen schöne Seiten bis zum Ende eines Lebens tragen können und sollen, jedoch keinen Abbruch. Anfang und Ende sowie dafür ihrerseits Eindrücke einer festen Beziehung brachten Hengelbrock und sein Balthasar-Neumann-Ensemble darüber symphonisch umrahmend – und programmatisch unverändert – zum Ausdruck, indem sie Mozarts erste überlieferte Symphonie seiner krönenden Letzten gegenüberstellten.
Und dieser Anfang begann im Allegro molto der Es-Dur-Symphonie mit jenem feurigen Sturm und jugendlichen Drang, der jeden ansprechenden Zauber des Neuen, des Ausprobierens und des eigenen Konstituierens im anerkannten Wohlbefinden befällt. Wie gelegen für die historischen Instrumente und die zuverlässig packende Spielweise des halb stehenden, halb sitzenden Orchesters, die im Ausreizen der Farbpalette und ihrer technischen Möglichkeiten mit der Unbändigkeit der Streicher und Aufmüpfigkeit von Naturhörnern und Fagotten sowie dem Kontrast der inneren Entspannung allen vollmundigen Geschmack der Empfindsamkeit auf der Zunge und dem Herzen zergehen ließen. Die ersten Reize von Gemeinsamkeit und Trennung und das Einbringen von eigener Stimme im spiegeligen Ausgleich widerstreitender Temperamente fand darin ebenso Platz in den Effekten wie in der Aufstellung, die diese umso geeigneter hervorhob. Das Andante hatte dagegen mit den Harmonien der liegenden Hörnern, deren Motiv eben nochmals in Mozarts Jupiter-Symphonie wieder aufgegriffen wird, und den akkordischen Anklängen an ein gewisses Stabat mater einerseits einen vorausschauend religiösen Charakter, andererseits den Gestus einer verdeckten, stillen Liebelei mit dem doppelköpfigen Hauch von Bürde, Spannung und hervorblitzender Richtigkeit. Mit starken Akzenten setzte Hengelbrock das Presto als ein ausgelassen verspieltes Reinemachen von allzu großer Bedenkenträgerei ab, wobei natürlich nicht auf artikulatorische Eindringlichkeit wie auch das Genie Mozart unterstreichende Reife und Tiefe verzichtet wurde.
Die unilateralen Waffen der Frau verstand in den Etappen der oder zur gefühligen, sakramentlichen, kulturellen und rechtlichen Institution der Ehe Katharina Konradi mit ihrem weichen, verständlichen, weil phrasierten und ohne übersteigertes Vibrato benutzenden, Sopran einzusetzen. In „Deh vieni non tardar“ aus Le nozze di Figaro bekundete sie somit beglückend unaufdringlich wie beruhigend – und deshalb in umso überzeugenderer Manier – ihre träumerisch herzerwärmende Liebe, die zwar in „Ach ich fühl's, es ist verschwunden“ aus Die Zauberflöte einen tragisch-musikalischen Kummeranfall erfuhr, in der die Stimmbeherrschung allerdings noch gewinnender herüberkam. Und persönlichen Gewinn erzielten sie, ihr besungener Partner und der Zuhörer letztlich noch mit dem leichten „Batti batti“ aus Don Giovanni just wieder, durch das sie auf stilsicherem Wege und mitfühlenden Wellen von Phrasierung charmant, freudvoll und klar in Bett und Herz lockte.
Dass das BNE nun einmal selbst eine Ehe mit Dirigent Hengelbrock verbindet, war offensichtlich, als typisch in größter Verständigung in der C-Dur-Symphonie die Fetzen flogen. Bässe, die anderen Streicher und die Pauken knallten sich in einem lebhaften Allegro-vivace-Austausch die Argumente genauso an den Kopf wie sie einander begehrten und die Bläser fütterten in unerbittlicher, schonungsloser Offenheit diese Rage gleichfalls wie Mozarts spätes, ja immer noch junges Feuer. Während auch im Andante cantabile mit herzlichen Bitten und trügerischem Frieden durch dick und dünn gegangen, mit pulsierender Bewegung der Eintönigkeit „Ade” gesagt wurde, gelangte man über ein in Überraschung und Lebendigkeit zünftigeres Menuetto zum großen Finale: dem Triumph und Lohn von Gefühl, Überzeugung, Arbeit, Gemeinschaftlichkeit und vor allem Leidenschaft.
Die Vorstellung wurde vom Livestream der Mozartwoche auf fidelio rezensiert.