Violine, Cello, Oboe und Traversflöte gebührte in Klassikern des Barockrepertoires die volle Aufmerksamkeit des Konzertstreams des im kalifornischen Long Beach ansässigen Ensembles Musica Angelica, welches unter der künstlerischen Leitung des österreichischen Organisten, Dirigenten und Komponisten Martin Haselböck steht. Den musikalischen Gruß aus seinem heimischen Wien und damit von Wirkungsstätte zu Wirkungsstätte brachte er – am Cembalo sitzend – mit Johann Heinrich Schmelzers Musikalischer Fechtschule mit, die dem Zuhörer zugleich ein abermals einigermaßen passendes Werk für die uns alle betreffenden Umstände bot. Denn ironischerweise – wenn man davon in diesem dunklen Zusammenhang sprechen kann – war der Violinist, Ballettkomponist und Kapellmeister der Wiener Hofkapelle Opfer der pandemischen Pest seines Lebens in der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Cynthia Roberts, Martin Haselböck und Stephen Hammer
© Musica Angelica

Und wie Erkrankte oder durch Impfung Schutzsuchende heute sind die Fechtschüler damals nach dem Ende ihrer Übungen beim Bader, dem Paukarzt, eingekehrt, um ihre mehr oder weniger starken Verletzungen kurieren und sich fachmännisch versorgen zu lassen. Jene Aria dieses Balletto für zwei Violinen, Violette und Orgel – in der Aufführung bei Musica Angelica in der programmkompatiblen Besetzung mit Cembalo und erweitertem Streicher- und Fagott-Bass interpretiert – bildet den sanft-meditativen Schlusspunkt dieses schmissigen En garde Schmelzers. Überzeugte dieses friedlich-ausgelaugte Wundenlecken genauso wie die elegantere Sichtweise des Sports in Aria II und der Sarabande, vermochten die übrigen Battaglia-Sätze im malenden Stil trotz des virtuosen Führens der Waffe durch die Solovioline Cynthia Roberts' in der eigentlichen Fechtschule nicht wirklich, den alert-konfrontativen Eindruck der Floretthiebe zu erzeugen, damit überhaupt stimmig irgendwelche Blessuren entstehen konnten. Zu schwerfällig und unmotiviert, zudem mit Ungenauigkeiten im Zusammenspiel von Cembalo und erster Geige behaftet, gelang schon der Einstieg, von dessen gemütlichem Spiel- und Tempoduktus sich der geprobte Klingenwettstreit nicht mehr befreite.

Nach ihm fand – zumindest im ersten Teil – zu meiner Erleichterung der tatsächliche Abschlag von Vivaldi und Bach im Kontrast der Stile und Formate statt, als das Ensemble beinahe wie ausgewechselt wirkte. Musica Angelica lieferte in Vivaldis Cellokonzert, RV 416 ein mit knackigen Elementen und in den Ecksätzen durch entsprechende Geschwindigkeit unterlegtes erfrischtes Klangbild, in dem sich Alexa Haynes-Pilon mit sicherem und phrasiertem Spiel als versierte Fechtmeisterin zu erkennen gab. Zwar war das Adagio durch Haselböcks übertrieben ausgelassene Ruhe nicht gänzlich frei von statischen Bruchstellen, doch entschädigte die nicht unbeachtliche Höchstform der Solocellistin im finalen Allegro dafür umso mehr. Gleiches ereignete sich eben bei Bachs Ouvertüre in h-Moll, der als Nummer zwei geführten Orchestersuite seiner insgesamt vier dieses beliebten französischen Instrumentalgebildes, von denen man leider nach wie vor nicht so viel authentisches Wissen besitzt, wie man gerne hätte. Allerdings hat fast jeder schon die Badinerie gehört, ohne an die konkrete Frage nach der Entstehung dieses ebenfalls beliebten Barock-Schlagers zu denken. Stephen Schultz meisterte sie, wie die Tanzsätze zuvor, mit expressiverer Präsenz, wobei vor allem der Allegro-Teil der Ouverture und die Bourées ebenso mit Bewegung punkten konnten, selbst wenn die Violine manchmal einige Kanten zum Anstoß einzog.

Während der spitzigere Aspekt im Klangausdruck eigentlich erhalten blieb, verfiel das Ensemble im zweiten Teil dieses Ausfechtens durch Haselböcks Vorgabe trotz teils noch schneller überschriebenen Tempi in Vivaldis Streicherkonzert Alla Rustica unverständlicherweise in die behäbig-muffelige Uninspiriertheit des Anfangs. Davon zeugte auch noch der Eröffnungssatz Bachs Doppelkonzert für Oboe und Violine. Mit Stephen Hammers klarem und ergiebigem Ton, Roberts' größerer Stimmkultur, die sich am Schluss noch in den technischen Herausforderung mehrheitlich bezahlt machte, und den für die erworbene Hit-Qualität ebenfalls in seiner Tempowahl zurechtgerückten Sätzen zwei und drei endete dieses Duell im Tableau letztlich knapp ohne eine musikalische Niederlage.


Die Vorstellung wurde vom Stream des Ensembles Musica Angelica rezensiert.

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