In fahlem Licht liegen zwei Körper auf der Bühne des Kölner Staatenhauses: eine Frau, hinter ihr ein Mann, Sophie und Hans Scholl, Symbole des jungen deutschen Widerstands zum NS-Regime. Über und neben ihnen eine nackte Glühbirne und ein mit Wasser gefülltes Aquarium als elementare und variable Elemente einer Gefängniszelle. Unter laut aufeinanderschlagenden Metallstäben beginnt eine visuell und musikalisch eindrucksvolle Inszenierung und Interpretation eines musikalischen Werks für zwei Stimmen und 15 Instrumente, das in seiner stringenten Atonalität allerdings auch mit dem Zuhörer keine Gnade walten lässt.
Im Vordergrund der Aufführung stehen zweifellos Bilder und Interpreten. Eindrucksvolle visuelle Metaphern ablaufender Zeit stellen die dem Geschwisterpaar verbleibenden Momente vor ihrer Hinrichtung dar und gehen teilweise auch eine lautliche Paarung mit der Musik ein. An ihrem Kabel pendelt die Glühbirne wie eine Standuhr, von der Decke tropft hörbar Wasser ins Becken; Unmengen von Staub gehen auf die Darsteller nieder. In einer der stärksten und auch gewaltsamsten Szenen wird die stehende Sophie Scholl von einem massiv in den unteren Teil einer imaginären Sanduhr hineinrieselnden Sandstrom erdrückt, erstickt, gebrochen. Der multifunktionell eingesetzte Schal Sophies ist der einzige Farbtupfer in der beige-grauen Bleiche des von Nicol Hungsberg anschaulich ausgeleuchteten Bühnenbilds und verleiht ihm ergreifende Kontraste: Blut auf dem weißen Frauenkleid, ein kaum geborenes Kind, ein Vorgriff auf die Idee eines Galgenstricks – die von Nefeli Myrtidi vorgesehenen Einsätze sind auf intelligente Weise vielfältig, ebenso die Stimmen zweier ausdrucksstarken Solisten.
Durch Claudia Rohrbach erfährt Sophie Scholls Rolle eine hervorragende Interpretation. Ihr Sopran ist plastisch und kontrastiert die Hoffnungslosigkeit der Szenen mit wunderbar gestaltetem Ton und viel Kontur. Ihre Expressivität füllt das karge Bühnenbild und wie bei ihrem Partner ist der Wechsel von Gesang zu Sprechstimme und umgekehrt kein Bruch; beide Interpreten erweisen sich auch als großartige Schauspieler. Wolfgang Stefan Schwaigers geschmeidiger Bariton in der Rolle Hans Scholls ist eine Wohltat. Das bemerkenswert späte Duett beider Solisten hebt sich in seinen barocken Anklängen und langen Legatobögen von der pulsierenden Begleitung ab und sorgt für einen der musikalischen Höhepunkte des Abends.
Ein anderer ist das paradoxe „leise, frohe Sterbelied“, in dem sich aus einem orchestralen Wirbel die tiefen Töne der Flöte mit der Harfe und den sotto voce spielenden Streichern mischen, dann ein makabrer Walzer aus tiefen Saiten und den Pizzicati des Kontrabasses markiert wird. Auch an der musikalischen Leitung von Arne Willimczik und den Mitgliedern des Gürzenich-Orchesters liegt die sonderbare Fremdheit des Abends nicht: Ihr Spiel ist präzise und gestaltet die wirklich minimalen lyrischen Momente der Partitur soweit wie nur möglich aus.