Unter den zahlreichen Inszenierungs-Hits, die das Theater an der Wien in seinem nunmehr zehnjährigen Bestehen als „Das neue Opernhaus“ hervorgebracht hat, gehört Keith Warners Versuch über die Komik in Don Giovanni mit Recht zu den populärsten. Aktuell kann man sich in der zweiten Wiederaufnahme davon überzeugen, dass sie nichts von ihrem Unterhaltungswert verloren hat.
Natürlich mag es Opernliebhaber geben, denen Don Giovanni als Klamauk im Hotel mehr Schauer über den Rücken jagt als der Commendatore dem armen Leporello, doch lässt sich Warners Ansatz in vielerlei Hinsicht gut begründen. Wie dieser selbst im Programm ausführt, spiegeln Aufenthalte in gehobenen zeitgenössischen Hotels die Beziehung zwischen Herr- und Dienerschaft von einst, und auch das fast unerschöpfliche Thema von Sein und Schein, welches Mozarts Meisterwerk(e) durchzieht, passt in dieses Ambiente.
Zudem ergibt sich das Karnevaleske bei Warner ganz natürlich aus dem Libretto und nicht zuletzt der Partitur. Das mag manche überraschen, doch besteht die hohe Kunst der Inszenierung letztendlich auch darin, dem Publikum neue Perspektiven zu eröffnen. Bei diesem Don gelangt man immer wieder zur Erkenntnis, dass der große Verführer kein Frauenheld ist, eher schon ein – wenn auch eleganter – Wurstel: Wer es notwendig hat, zwecks Eroberung des zweitausend-sechsundsechzigsten Weibchens mit seinem Diener Kleider zu tauschen und Maskeraden zu spielen, der ist kein Held, sondern ein Getriebener, dem ein Psychiater heutzutage möglicherweise Hypersexualität samt Störung der Impulskontrolle diagnostizieren würde.
Dennoch schwingt der Regisseur nicht den Holzhammer, sondern die feine Klinge: Als Don Giovanni feststellen muss, dass sein Plan, Zerlina zu verführen, endgültig gescheitert ist, gibt es in der Musik einen eruptiven Bruch; szenisch ist das in dieser Regiearbeit so umgesetzt, dass der Don, dem quasi die Sicherungen durchgebrannt sind, das Hotel per Kurzschluss verfinstert. Sehr gelungen ist auch das oft unterschätzte Sextett „Sola, sola in buio loco“ im zweiten Akt, in dem sich Don Giovanni an seine Bühnenpartner immer wieder spaßeshalber von hinten anschleicht und diese dementsprechend erschreckt einzelne Silben zu Angstschreien formen.
Derlei musikalische Witze unterstützte Ivor Bolton am Pult und am Hammerklavier mit Begeisterung und körperlichem Einsatz; trotzdem blieb die Leistung des Mozarteumorchester Salzburg – zumindest für ein Orchester mit diesem Namen – über weite Strecken überraschend unspektakulär und eher routiniert denn inspiriert: an einigen Stellen, leider auch bei der Champagnerarie, war man sich auf der Bühne und im Graben nicht immer eins über Tempo und Lautstärke.
In der Titelpartie gab Nathan Gunn einen überzeugenden Don Giovanni. Dass er vor ein paar Jahren auf der Liste der „Sexiest Men Alive“ des People-Magazins stand, schadet der Rolle nicht, ebensowenig wie eine gewisse Ähnlichkeit mit Russell Crowe und sein Frauenversteher-Charme à la George Clooney. Von diesem feschen, aber nicht offensiv auf jugendlichen Macho getrimmten Don geht jedoch, weil unter beinahe konservativer Oberfläche gut getarnt, mehr Gefährlichkeit aus als von jenen, welche diese Rolle aggressiv-testosterontriefend angehen. Auch gesanglich ließ Gunns Gestaltung wenig zu wünschen übrig; ein wenig mehr Kraft und Schmalz darf man sich dennoch wünschen.