Die Volksoper zelebriert in dieser Saison ihr 120-jähriges Bestehen und leistet sich zu diesem Anlass ein Werk, dessen letzte Premiere am Haus 1908 stattfand: Richard Wagners Der fliegende Holländer. Dafür engagierte man jenes Team, das schon La Wally verantwortete: Marc Piollet am Pult sowie Aron Stiehl, Frank Philipp Schlößmann und Franziska Jacobsen für Regie, Bühnenbild und Kostüme.
An diesem Haus hat man ein gutes Händchen für grandiose Produktionen, etwa Axel an der Himmelstür oder Hoffmanns Erzählungen, die demnächst wieder am Spielplan stehen. Als derartiges Ausstattungsspektakel ist der Landgang von Wagners verfluchtem Seefahrer zwar kaum vorstellbar, aber so eintönig wie die aktuelle seriöse Regiearbeit braucht er auch nicht zu sein. Zum Vorspiel schlurft der Holländer grünlichem Licht entgegen – durch einen rechteckigen Tunnel, der sich bald zu einem Einheitsbühnenraum in Metalloptik weitet, und mit seinen Labyrinth-artigen Unterteilungen wohl die verborgenen Winkel der Seelen in diesem Stück symbolisieren soll. Das ist theaterpraktisch und inhaltlich nachvollziehbar, allerdings kommt das pausenlose Stück in diesem kontrastlosen Einerlei kaum in Schwung, und gut gemachte Lichtakzente helfen nur bedingt. Kein Schiff, keine Spinnräder, dafür viele Gemälde vom Meer, das nur manchmal im Hintergrund zu sehen ist. Als Bebilderung genügt das, aber große Würfe sehen anders aus. Dass dieser Abend dennoch zu einem Erfolg wurde, verdankt sich einer großartigen Besetzung unter einer ambitionierten musikalischen Leitung.
Stefan Cerny hat eine lackschwarze, respektgebietend große Bassstimme, und damit steht er – ohne dies je zu forcieren – immer im Mittelpunkt. Das hat aber auch seine Tücken: Wenn man als Daland den Sänger der Titelpartie in den Schatten stellt, wirkt das merkwürdig. Dabei hat man Markus Marquardt, erstmals zu Gast an der Volksoper Wien, nichts vorzuwerfen: Als gefragter Wagner-Sänger, der auch Wotan und Wanderer zu seinem Repertoire zählt, verfügt er ebenfalls über eine imposante Stimme, die er für seinen Holländer auch eloquent nutzte. Nur hin und wieder geriet ein höherer Ton etwas rau, doch passt das zu dem Seebären, der des ewigen Segelns schon müde ist. Dennoch drängte sich der Gedanke auf, dass ein Rollentausch interessant wäre: Man kann sich Marquardt gut als Daland vorstellen, der in dieser Inszenierung mehr rauer Seebär denn Kaufmann ist, und Cerny als geheimnisvollen Fremden, der Erlösung durch die Treue einer Frau sucht.
Oder zumindest könnte man den Holländer so sehen – denn zu dieser Figur ist weder dem Regisseur noch seiner Kostümbildnerin viel eingefallen: Wagner wollte, dass sich der Holländer bei seinem Landgang – also auf ungewohntem Terrain – langsam und schwankend bewegt, und obwohl man das nicht unbedingt wortwörtlich nehmen muss, bleibt die Fremdheit des Seefahrers doch sein bestimmendes Merkmal. Wenn man darauf nicht eingeht, ihn optisch nicht hervorhebt und gleichzeitig keine nennenswerte Personenregie betreibt, bewegt man sich schon nah an einer Themaverfehlung. Ein experimenteller Ansatz, etwa als Personifizierung von Sentas Vaterkomplex, war auch nicht auszumachen.