„Tu felix Austria jubele und jodele,“ sprach Volksopern-Urgestein Helga Papouschek, doch dieses Befehls hätte es bei der Premiere der Neuinszenierung von Im weissen Rössl gar nicht bedurft: Das Publikum war vom Gebotenen begeistert, denn da wurde nicht nur gejodelt und gesungen, sondern auch gejazzt, Blasmusik und Zither gespielt, Zwanzigerjahre-Revue in Glitzerkostümen war ebenso zu sehen wie Schuhplattler in Schwanensee-Formation.
Man staunt, dass diese wilde Mischung nicht allein einem übermütigen Regisseur geschuldet ist, sondern in erster Linie der originalen Orchesterfassung des Rössl, die im Jahr 2009 zufällig in Zagreb auftauchte, und nun an der Volksoper erstmals verwendet wird. So also klang der Klamauk rund um Liebeswirren, österreichische Gerissenheit und deutschen Geschäftssinn im Hotel Zum weißen Rössl bei seiner Uraufführung in Berlin 1930, bevor das enorm erfolgreiche Stück in der Nazizeit als entartet von den Bühnen verschwand, und bevor die Unterhaltungsindustrie der Nachkriegszeit, welche von der (verständlichen) Sehnsucht ihres Publikums nach der heilen Welt lebte, das Rössl auf jenen lieblich-lustigen Schwank reduzierte, den wir heute kennen.
Im „Originalklang“ ist das Rössl von Ralph Benatzky (mit musikalischen Einlagen von Robert Stolz und anderen) bunter, auch greller, und bietet mehr als nur eine Schlagerparade („Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, „Es muss was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden“, „Die ganze Welt ist himmelblau“, „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“, „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“) – das schreit geradezu nach frechen Texten und mutiger Inszenierung.
Das sah offenbar auch die Volksoper so und bestellte daher eine Adaptation des Rössl vom Münchner Theater am Gärtnerplatz, für die deren (österreichischer) Intendant Josef Ernst Köpplinger persönlich verantwortlich zeichnet. Zusammen mit seinem Ausstatter Rainer Sinell nimmt er für das Salzkammergut den Begriff „Postkartenidylle“ wörtlich und malt das Bergpanorama von St. Wolfgang samt blauem Himmel und Schäfchenwolken auf eine überdimensionale Kitschpostkarte, die als separater Bühnenraum im Hintergrund fungiert. Dass diese ebenso wie der Haussegen im Weißen Rössl schief hängt, darf als Versinnbildlichung seines Regiekonzepts gelten: Mit viel Dynamik und Fantasie werden Heimatfilmklischees gegen den Strich gebürstet, und so muss beispielsweise die Briefträgerin Kathi, von einer Kugel eines blinden Oberförsters getroffen, just in dieser Postkarte ihr Leben aushauchen. Auch die grunzenden Stallburschen Hias und Lois stören immer wieder die Idylle, aber nie den geradezu reißenden Fluss der Handlung.
Vor dieser Postkartenlandschaft bewegen sich die Wellen des Sees als Kulissen, mitunter fährt eine Modelleisenbahn vorbei. Den Rest der Bühne nimmt die Hotel-Terrasse ein, von der aus die Auf- und Abtritte in die Hotelzimmer und die Küche erfolgen. Mit diesem simplen Bild wird die gesamte Aufführung bestritten, und bei dem, was sich an Mitwirkenden auf der Bühne und teilweise im Publikum tummelt (Chor, Kinderchor, Ballett, Orchester, Jodler, Akkordeonkind,…), ist mehr auch nicht nötig. Man bekommt auch so einen Eindruck davon, wie es bei der Rössl-Uraufführung im Großen Schauspielhaus Berlin mit 700 Beteiligten und hergegangen sein mag.