In voller Größe und verführerisch schön rollt das hölzerne Pferd auf die Opernbühne, vom Volk der zehn Jahre belagerten Stadt Troja enthusiastisch bejubelt, das es für eine hinterlassene Opfergabe der vermeintlich abgezogenen Griechen hält. Schon in der zweiten Szene von Hector Berlioz' Les Troyens löst die Frankfurter Neuproduktion mit diesem spektakulären Bühnenbild und den 120 Stimmen mächtigen Chören das Versprechen auf große Oper grandios ein.
Welches Unglück Troja in der Folge aus dieser Szene erwächst, wissen wir aus der Mythologie. Einzig Cassandra erkennt die in dem Pferd verborgene Gefahr, doch niemand will sie hören, auch ihr Verlobter Choröbus nicht. Mit der heftigen Auseinandersetzung zwischen beiden Protagonisten beginnt Berlioz' Oper. Im Gegensatz zur obigen ist diese Szene als Kammerspiel gestaltet, in der die präzise geführten Sängerdarsteller ihre Rollen ausdruckskräftig ausfüllten. Mit der starken Aura einer antiken Priesterin war Tanja Ariane Baumgartner eine stimmlich großartige Cassandra, expressiv in der Leidenschaft ihrem Verlobten gegenüber wie auch in ihren verzweifelten Warnungen und ihrer Angst angesichts des von ihr vorausgesehenen Unheils. Auch der Bariton Gordon Bintner hinterließ als Choröbus starken Eindruck.
Den unausweichlichen Fall Trojas am Ende des zweiten Akts inszeniert Regisseurin Eva-Maria Höckmayr bemerkenswert distanziert, indem sie naheliegenden Bühnennaturalismus verweigert (etwa die kollektive Selbsttötung Cassandras gemeinsam mit den trojanischen Frauen, um den griechischen Erobereren nicht in die Hände zu fallen) und die Dramatik allein der Musik überlässt. Welche Kraft der Berlioz'sche Orchesterapparat immer wieder entfaltet, formte der junge Dirigent Dylan Corlay (Assistent und an diesem Abend Vertreter von John Nelson) mit dem hervorragend disponierten Orchester zu machtvollem Klang.
Der dritte bis fünfte Akt von Berlioz' übergroß dimensionierter Grand opéra führt an die nordafrikanische Küste, wohin sich die Trojaner unter der Führung von Aeneas geflüchtet haben. Dort dominiert eine weitere starke Frauenfigur: die karthagische Fürstin Dido, die selbst einst als Exilierte hier anlandete und inzwischen eine florierende Stadt regiert. Als eine auf äußere Dominanz bedachte Herrscherin wird diese Figur gezeigt, die ihr Innerstes vor der Öffentlichkeit zu verbergen weiß, ihrer Umgebung gegenüber zwar formell zugetan ist, letztlich aber unnahbar und verschlossen bleibt. Claudia Mahnke verkörperte diese Frau nicht nur darstellerisch äußerst präsent, auch stimmlich gab sie ihrer Figur die ganze Bandbreite innerer Emotionalität. Mit Wärme sprach sie ihr Volk an, Selbstzweifel bestimmten ihre Entscheidung, sich Aeneas anzunähern, Leidenschaft entflammte in ihrer Liebe zu ihm, als Verlassene schleuderte sie Wut und Hass heraus, bis sie sich schließlich freiwillig dem Tod übergibt. In Claudia Mahnkes Darstellung wurde die ganze Größe und tragische Fallhöhe dieser Opernfigur faszinierend erlebbar.