Im Programmheft zu dieser Neuinszenierung von Richard Strauss' Salome an der Deutschen Oper in der Bismarckstrasse könnte es heißen: „Dieser Abend wird unterstützt von Herrenausstatter Fischer am Kurfürstendamm oder vom Label Pierre Cardin. Den geneigten Zuhörer und Zuschauer würde es nicht verwundern.
Nachdem wir uns zu Beginn in einer stark eingedimmten Szenerie an die Akteure gewöhnt haben, verschwinden die Männer undefinierbar in feinen Anzügen, die auf Stangen aufgereiht sind – vielleicht 100 oder 150 Stück. Zwischen ihnen treten Sänger hervor, mechanisch, wie aufgezogen. Es heißt dem Regisseur sei dieser Einfall gekommen, weil Richard Strauß den Besuch in Bekleidungshäusern als angenehm empfunden habe – und weil so ein Effekt der Gleichmacherei zu bewerkstelligen war. Das ist gelungen: ein schwer verständliches Personenpuzzle, in dem selbst Jochanaan zum Jederman wird.
So wirkt das ganze Unternehmen merkwürdig zerfasert; wieder einer der vielen Versuche, Opernstoffen Interpretationen mit aller Gewalt aufzuzwingen. Mit psychologischen Analysen in neuen Denkanordnungen lässt sich alles begründen, selbst der Fliegende Holländer in einem Börsensaal oder die Rolle der Salome als Dragqueen, wie in Berlin geschehen. Im Programmheft werden Begründungen für die neue Sichtweise gegeben: „Diese Salome … ist ein Kind, eine Jugendliche in großer Not offensichtlich, schwer beladen mit monströsen Fantasien … Was auch immer sicher ist: es gibt eine Mutter und einen mächtigen, übermächtigen Stiefvater in dieser bösen Welt. Und dieser Stiefvater okkupiert und bedrängt das Kind Salome.“
Herodes als Kinderschänder! Als vielfacher Kinderschänder sogar, so erklärt sich der Auftritt von fünf kleinen, tanzenden Salomes, wohl aus der Kinderballettgruppe, die im Tanz der Salome wie Puppen manipuliert, gelenkt, geführt werden. Für die große Salome, die in ihrer starken Körperlichkeit nicht zum verführerischen Auftritt taugte, bleiben nur ein paar Drehungen, in die sie auch die Mutter mit einbezieht. Das alles, so heißt es im Vorwort zur Inszenierung, könne nur dem Phantasiehorizont der Hauptheldin entstammen, der kindlichen Welt der Salome. So gesagt, aber nicht umgesetzt. Das funktioniert weder beim Herrenausstatter noch zu Beginn, bei dem die Figuren in spastischen Bewegungen wie mechanische Puppen der Ausstrahlung Salomes erliegen. Die vermeintliche Seelen-Sezession muss so scheitern.