Manchmal lauscht man den ersten Klängen einer Opernaufführung, sieht das erste Bühnenbild und weiß, dass heute alles gelingen wird. Ein solches Erlebnis bot der 23.7. im Münchner Prinzregententheater. Unter der Leitung von Ivor Bolton musizierten Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters und des Monteverdi-Continuo-Ensembles gemeinsam mit einer großartigen Sängerschar in Monteverdis Oper L’Orfeo. Von Anfang an spielten die in historischer Aufführungspraxis geschulten Musiker des Staatsorchesters mit präziser Leichtigkeit und delikater Transparenz.
Ivor Bolton, ein oft und gern gesehener Gast am Pult des Münchner Opernorchesters, ist ein ausgewiesener Spezialist barocker Singspiele und bewies einmal mehr, dass Interpretationen auf historischen Instrumenten mit barocken Bögen und Darmsaiten keineswegs blutleer klingen müssen. Im Gegenteil: Die Vielfalt der Klangfarben, Verzierungen und ausdrucksstarken Portamenti, welche die wunderbar homogen eingestellten Orchestermusiker aus ihren Instrumenten zauberten, zelebrierte die unerhört vielschichtige und dramatische Partitur Claudio Monteverdis. Um einmal ein eher selten gehörtes Instrument und seinen Meister unter all den Klangzauberern des Staatsorchesters zu rühmen, so muss das Tamburin hier separat Erwähnung finden: es begeisterte mit tänzerischer Leichtigkeit und mannigfaltigen Geräuschen und Klängen, die man einer simplen Schellentrommel kaum zugetraut hätte.
Das Bühnenbild des Regisseurs David Bösch bestand im Wesentlichen aus einem offenen Raum, der je nach Szene in unterschiedlich intensiven Weiß-, Grau- und Schwarztönen ausgeleuchtet wurde. Auf dem Boden lagen zu Beginn schwarze Plastikmüllsäcke, unter denen sich - wie man später erfuhr - überdimensionale Blüten mit langen Stängeln befanden. Textgetreu wachsen sie den Liebenden Orfeo und Euridice bei deren Hochzeit in den Himmel Arkadiens, indem sie schlicht nach oben gezogen werden, während die Blütenstängel zu Boden hängen. Dieser geniale Einfall verlieh dem Raum eine Dreidimensionalität, wodurch die Hochzeitsszene, welche als Hippiefest mit obligatorischem VW-Bus dargestellt wurde, fast cineastisch anmutete. Als im späteren Verlauf der Oper Orfeo in die Unterwelt hinabstieg, wurde die Vertikale in die Tiefe des Raums wiederum genial dazu benutzt, um gleichzeitig mit dem Heraufziehen der Blumenstängel fahle Puppen mit flachen Gesichtern kopfüber herabzulassen, die mit ihren bleichen Fratzen auch in Horrorfilmen Verwendung finden könnten. Wenn man einen Kritikpunkt an der ansonsten durchwegs überzeugenden Regiearbeit finden möchte, dann vielleicht, dass die Vielschichtigkeit der musikalischen Schilderung Monteverdis - beispielsweise in der unglaublich dramatischen Szene, in der Orfeo Euridices Tod eröffnet wird - sich nicht ganz in der Inszenierung widerspiegelt. So hätte man sicherlich die konfliktbeladene Figur des Orfeo mit seiner emotionalen Zerrissenheit differenzierter darstellen können.