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Wenn Warten zur Webart wird: Faurés hochromantische Pénélope in München

Por , 25 julio 2025

Erst ein knappes Jahr ist es her, dass der Intendant der Bayerischen Staatsoper München, Serge Dorny, Claude Debussys Pelléas et Mélisande in den Spielplan nahm. Von Gabriel Fauré, dessen Todestag sich 2024 zum 100. Mal jährte und der Debussys Bühnenwerk bewunderte, gab es nun mit seiner Pénélope im Rahmen des Opernfestivals im Jubiläumsjahr „150 Jahre Münchner Opernfestspiele“ die zweite Premiere: wiederum ein Schicksalsepos aus der altgriechischen Sagenwelt, Homers Odyssee entnommen.

Victoria Karkacheva (Pénélope)
© Bernd Uhlig

1907 hatte Fauré die Wagner-Sopranistin Lucienne Bréval getroffen, die überrascht war, dass er kein Opernkomponist sei. Sie erwähnte einen jungen Freund, den 25-jährigen René Fauchois, der ein Libretto zu Pénélope geschrieben hatte, das die antike Gattin mehr in den Mittelpunkt rückte und auf Bréval zugeschnitten war. Wegen seines Alters – Fauré war gerade 62 Jahre alt – kürzte man die Handlung auf drei Akte und strich die Figur des Telemachos, Ulysses und Pénélopes Sohn. Fauré erzielte damit 1913 bei der Uraufführung in Monte Carlo einen Achtungserfolg, zwei Monate später am Théâtre des Champs-Élysées in Paris viel Beifall. Kurze Zeit später avancierte dort Strawinskys Sacre zum Aufreger und verdrängte die romantisierende hellenische Heldensage. Zumeist nur in Frankreich aufgeführt, fand sie erst 2019 in Frankfurt wieder größere Beachtung.

Brandon Jovanovich (Ulysse)
© Bernd Uhlig

Die Szenen der Oper gehen fließend ineinander über, harte Tempowechsel werden vermieden. Fauré hat reichhaltig schöne Melodien in dieser Oper geschrieben, nicht unbedingt in Arien. Dass er zwei führende Komponisten der Zeit intensiv studiert hatte, wird durchaus in der Partitur hörbar. An Debussy erinnern textreiche rezitativische und doch ariose Passagen, die das Orchester sehr transparent begleitet. Wagners Einfluss zeigt sich in heroischen Momenten. An Stelle der Leitmotivik nutzt Fauré eher Signaturen von Personen oder Situationen, zum Beispiel ein bestimmtes Intervall für eine Person, mal einen Halbton oder eine Quinte. Da findet man das Wesen seiner späten Lieder eher als den französischen Opernstil seiner Zeitgenossen.

Die Regisseurin Andrea Breth, erstmals an der Staatsoper tätig, nimmt es ernst mit der Konzentration auf die Frau, die während des zehn Jahre langen Trojanischen Kriegs und zehn Jahren Irrfahrt ihres Gatten die auf Reichtum und Macht in Ithaka gierigen Freier abweist; schließlich malt sie aus, wie die Eheleute nach diesen 20 Jahren Trennung wieder zusammenfinden könnten. Sie siedelt die Handlung in der Gegenwart an, die vom klar strukturierten Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt und Kostümen von Ursula Renzenbrink unterstützt wird.

Pénélope
© Bernd Uhlig

Das Vorspiel beginnt in der Weite eines musealen Raums, der einige Torsi und Statuen griechischer Jünglinge birgt. Dazwischen Besucher, die langsam durch den Raum wandern: entschleunigt müsste man es nennen, Bewegungen im Zeitlupentempo, die das gesamte Werk prägen werden. Diese Verlangsamung der Zeit ist Breths Hauptthema: Zwanzig Jahre immer dasselbe zu machen, eine Ritualisierung des Alltags zu entdecken und dadurch Zeit und Verlauf und die Unerträglichkeit des Daseins zu beschreiben. Dass auch Ulysse, inkognito vor seiner Rückkehr, unter den wenigen Besuchern durch diese Ausstellung schreitet, wird erst später deutlich. Hier bereits lässt Breth die Zeitebenen durcheinander spielen, Ulysse als Jüngling und alter Mann zugleich auf der Bühne stehen, Doubles auftreten. Manches bleibt rätselhaft, schwebend wie im Traum und hat doch Bedeutung ganz dicht an der Erzählung.

Erster und dritter Akt spielen in verketteten engen Räumen, die wie ein schneckenschnelles Fließband die Szenen aufnehmen. Pénélope vertröstet die Freier unter dem Vorwand, das Leichentuch für Ulysses verstorbenen Vater Laertes fertigstellen zu müssen. Während sie tagsüber am Leichentuch webt, trennt sie nachts die Fäden wieder auf, um Zeit zu gewinnen. Als der Betrug auffliegt, fordern die Freier von ihr, endgültig einen Ehemann zu wählen. Hier kehrt Odysseus unerkannt und verkleidet als Bettler zurück. Pénélope rät er, den Freier zu wählen, der in der Lage sei, seinen alten Bogen zu spannen. Als dies keinem gelingt, spannt er selbst den Bogen, tötet die Freier und offenbart sich seiner Frau.

Brandon Jovanovich (Ulysse)
© Bernd Uhlig

Victoria Karkacheva und Brandon Jovanovich sind ideale Besetzungen der beiden Hauptfiguren: Karkacheva in der Titelrolle von stimmlich bezwingender Präsenz, schauspielerisch glaubwürdig: ihre Pénélope überzeugte als moderne Frau, die es durchaus mit den Freiern aufnehmen kann. Jovanovich begeisterte als Ulysse mit leuchtendem Heldentenor und mitreißend gestalteten Höhen, die eine bewegende Leichtigkeit besaßen. Zusammen mit dem Hirten Eumée (Thomas Mole) und der Amme Euryclée (Rinat Shaham) gelangen ihnen insbesondere im zweiten Akt musikalisch großartige Momente. Exzellent ausgefüllt die Rollen der Dienerinnen wie der ungeduldigen Freier, die – alle auf ihre eigene Weise – Pénélopes Abstinenz nicht verstehen.

Das Bayerische Staatsorchester leitete Susanne Mälkki sehr geschmeidig, verwandelte lange Spannungsbögen zu hypnotischen Momenten, die zu Breths Intentionen vollendet harmonierten. Von verblüffend zirzensischer Artistik die Bogenschützin Daniela Maier, die dem Bogenritual atemberaubende Spannung gab.

Brandon Jovanovich (Ulysse) und Victoria Karkacheva (Pénélope)
© Bernd Uhlig

Dem am Ende von Fauré veranstalteten C-Dur-Jubel, in dem das Volk von Ithaka seinen König und den obersten olympischen Gott Zeus gleichermaßen feiert, traut Andrea Breth dann doch nicht. Auch wenn sich Ulysse und Pénélope hörbar ihrer immerwährenden Sehnsucht und unveränderten Liebe versichert haben, lässt sie im Schlussbild ein körperliches Umarmen nicht zu; die Finger der ausgestreckten Arme schaffen es nicht, sich zu berühren. Ein wunder Punkt der Inszenierung, der das Publikum doch reichen Beifall zollte.

****1
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“Victoria Karkacheva in der Titelrolle von stimmlich bezwingender Präsenz”
Crítica hecha desde Prinzregententheater, Múnich el 23 julio 2025
Fauré, Pénélope
Bayerische Staatsoper
Susanna Mälkki, Dirección
Andrea Breth, Dirección de escena
Raimund Orfeo Voigt, Diseño de escena
Ursula Renzenbrink, Diseño de vestuario
Alexander Koppelmann, Diseño de iluminación
Bayerisches Staatsorchester
Klaus Bertisch, Dramaturgia
Lukas Leipfinger, Dramaturgia
Victoria Karkacheva, Pénélope
Brandon Jovanovich, Ulysse
Thomas Mole, Eumée
Rinat Shaham, Euryclée
Loïc Félix, Antinoüs
Martina Myskohlid, Alkandre
Seonwoo Lee, Mélantho
Ena Pongrac, Phylo
Zachary Rioux, Ctésippe
Dafydd Jones, Pisandre
Leigh Melrose, Eurymache
Emily Sierra, Cléone
Joel Williams, Leodès
Eirin Rognerud, Lydie
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