Hoffmann in Jacques Offenbachs Oper Les contes d'Hoffmann hat einen hohen Frauenverschleiß - jede seiner Angebeteten ist am Ende des Aktes tot. Ein neuer Hoffmann nach dem zweiten Akt ist allerdings eine Besonderheit: Rolando Villazón musste seine Vorstellung nach einer schwachen Leistung aus gesundheitlichen Gründen abbrechen und übergab an seinen Landsmann Arturo Chacón-Cruz. Dass die Aufführung an der Bayerischen Staatsoper dennoch gelang, lag vor allem an der einfallsreichen Inszenierung von Richard Jones und der guten musikalischen Gestaltung von Dirigent Constantin Trinks.
Es sind die kleinen Details, die den Zuschauer bei Jones' Inszenierung immer wieder schmunzeln lassen. Dem Wandschrank entspringen unerwarteterweise Choristen, Antonias Zimmer schmückt eine goldene Schallplatte als Andenken an ihre Mutter, die Stimme aus dem Grab erscheint durch ein Loch im Klavier, und stirbt eine von Hoffmanns Angebeteten, strecken sich zwei Hände aus dem Bühnenboden hervor, die dem Künstler den Alkohol reichen.
Gleichfalls spielt das recht einfache Bühnenbild geschickt mit einer leicht ansteigenden Bühne und optischer Räumlichkeit, die die Bühne um einiges größer wirken lässt. Knallbunte Wände und ein clownhafter Spelanzani im zweiten Akt werden im dritten einer in weiß gekleideten Antonia gegenübergestellt, der Jones zum Abschied eine Totenkapelle an die Seite stellt. Ein nach jedem Akt herabgelassener Vorhang kündigt mit Hilfe von Videoprojektionen den Namen der jeweils nachfolgenden Dame an. Insgesamt betont Jones besonders den komischen Charakter der Opéra fantastique und bot dadurch einen unterhaltsamen Abend ohne tieferen Sinn.
Constantin Trinks trug zur Unterhaltung vor allem mit seinem feinen Gespür für eine gute Tempogestaltung bei. Mit einem flotten Tempo ließ er die Szene in der Weinstube wilder wirken, nahm sich jedoch für die Auftrittsarie des Lindorf Zeit und betonte damit auch die tragische Seite der Oper.
Villazón, der sich durch die ersten beiden Akte hörbar angeschlagen hindurchquälte, hatte mit Angela Brower einen grandiosen Nicklausse an seiner Seite. Stets gut gelaunt und kraftvoll meisterte Brower die Rolle als Abbild Hoffmanns in kurzer Hose mit Leichtigkeit. Villazón-Ersatz Chacón-Cruz fügte sich in das Ensemble perfekt ein und gab dem leicht alkoholkranken Hoffmann das Heldenhafte zurück. Mit grandiosen Spitzentönen und einem zarten Piano stellte er die nicht gerade überschaubare Gefühlswelt des Schriftstellers anschaulich dar, und bei seinem gleichzeitig leidendem und überschwänglich verliebtem Ausdruck fiel gar nicht auf, dass er kurzfristig einspringen musste.