Das Requiem für Hieronymus Bosch ist ein neues Werk, das Detlev Glanert im Auftrag des Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam im Jahr 2016 komponiert hatte. Sieht man in das Werk hinein, dann erfährt man, dass Glanerts inhaltlicher Aufbau mit Bosch, der den sieben Todsünden angeklagt wird, zur gleichen Zeit komplex genug ist um durch den Abend zu führen, trotzdem aber immer für jeden leicht verständlich und mit aktuellem Bezug bleibt. So schlägt der Komponist eine geschickte Brücke zum Anlass der Komposition, dem 500. Todestag des Malers.
Einige der Akteure bei der deutschen Erstaufführung in der Elbphilharmonie waren dieselben wie bei der Uraufführung in s’Hertogenbosch, wodurch eine gewisse Vertrautheit gerade bei den führenden Solistenstimmen den Vortrag stützte. Nur, wie würde ein sakral geprägtes Werk in der modernen Akustik dieses Saals erklingen? Gleich im ersten Abschnitt De Demonibus machten die Europa Chor Akademie und die Solisten deutlich, dass sie nicht vorhatten sich im Raumklang zu verstecken. Mit Nachdruck und Stimmgewalt wurden die kräftigen Passagen angegangen, und der Chor schien ganz bewusst Energie in die höheren Timbres zu legen. Die Hamburger Symphoniker begannen ihre unterstützende Rolle als Solche, wobei die Bläser die prägnanten, rhythmischen Akzente vielleicht noch etwas deutlicher hätten setzen können. Mit erzählerischer Sicherheit gestaltete das gesamte Ensemble dann den Übergang in den zweiten Abschnitt Requiem Aeternam. In dieser ruhigeren Kooperation zwischen Orgel und Chor setzte der Organist Leo van Doeselaar die wichtigen, sehr tiefen Basstöne mit der präzise in den Gesamtkontext passenden Dynamik, was durchaus nicht einfach war bei der Kombination aus dem ihm nicht gut bekannten Instrument und der sensiblen Saalakustik. So überreichten sich die Musiker ein ums andere mal die Melodien und Einsätze, um dann wieder und wieder in den bedachten Crescendi zu kulminieren.
Ähnlich erfolgreiches Wechselspiel erfolgte dann in Absolve Domine zwischen Chor und Orchester, wobei die Sängerinnen und Sänger sehr eindringlich und mit bewusster Führung der Lautstärke die markanten Themen gestalteten. Die einzelnen Instrumentengruppen gaben sich gut verwoben in das gemeinsame Spiel und führten sich so bis hin zum Dies Irae, welches angenehm durch seine tänzerische Rhythmusstruktur auffiel. Diese wurde von Chor und Orchester bewegungsfreudig ausgeführt, Markus Stenz tanzte regelrecht mit. Sein gesamtes Dirigat war bestimmt von der Betonung der Feinmotorik in Armen, Händen und Fingern, die fast an Elemente des Ausdruckstanzes erinnerte. So beschritt er maßvoll den Grat zwischen Vorgabe und Vertrauen in die Musiker, was bei einem so großen Aufbau nicht einfach ist. Van Doeselaar gestaltete seinen Part kunstfertig, aber auch aufrüttelnd modern. Von verhalten und filigran bis ungestüm variierte er den Vortrag, und an der lautesten Stelle agierte er so polternd, man meinte er lehne sich mit den Armen einfach auf die Manuale.