Einen Abend ganz im Zeichen Russlands gestalteten die Göteborger unter der Leitung des englischen Dirigenten Alexander Shelley. Der erste Teil war dem Romantiker Sergej Rachmaninow gewidmet, doch es ist schon fast eine hauseigene Tradition, dass das Programm im Göteborger Konzertsaal mit einem kleinen musikalischen Appetizer beginnt. An diesem Abend war es die bekannte Vocalise in einer Bearbeitung für Orchester. Rachmaninow schrieb diese gleichförmige Musik als letztes Stück seines Opus 34, das aus 14 Liedern besteht.
Es ist das Jahr 1912 und der Komponist verbringt den Sommer auf Ivanovka, dem Landanwesen seines Onkels. Ursprünglich wurde das Stück für ein Vokalsolo geschrieben, schreibt aber keine Worte für den Gesang vor. Die Melodie in der Orchesterfassung wird hauptsächlich von den Geigen getragen, doch auch die hohen Bläser bekommen ihren Anteil an dem berühmten Motiv. Drei Töne, mehr braucht es nicht für diese Folge, die von allen Musikern in stets geminderter Lautstärke gespielt wurde. Die Symphoniker versuchten nicht, einen Höhepunkt zu erzwingen, sondern kreierten viel mehr eine fast einlullende Schwebemusik. Die expandierten Linien der Streicher erinnerten an eine Landschaft in Russland, voller Monotonie, Weite und schlichter Schönheit. Ein sanfter Einstieg, die Ruhe vor dem erwarteten Sturm des Dritten Klavierkonzertes – doch das Gewitter blieb vorerst aus.
Der australische Pianist Alexander Gavrylyuk begann das Werk ganz bescheiden. Er hielt sich eng an Alexander Shelleys Dirigat und gestaltete die Einleitung mit viel Zurückhaltung. Der Dirigent schien sich die klanglichen Reserven genau einteilen zu wollen und wechselte durchwegs nur zwischen mezzopiano und mezzoforte. Auch Gavrylyuk folgte diesem Beispiel und ließ seine Dynamik erst anschwellen, als das Orchester für seine virtuosen Einwürfe verstummte. Obwohl die Lautstärke nun deutlich dem imposanten Werk entsprach, hielt der Solist das Tempo noch deutlich gedrosselt. Das Intermezzo des zweiten Satzes schaffte es trotz seiner Kürze, ein paar Momente des Aufhorchens zu bescheren; die Orchestermusiker nahmen sich ganz zurück, um dem Klavier noch mehr Freiraum zu geben. Zart plätschernd ließ Gavrylyuk sein Instrument erklingen und erinnerte dabei an einen Wasserläufer, der mit kleinen Bewegungen eine große, weiterlaufende Spure hinterlässt.
Der nahtlose Übergang zum Finale gelang schwungvoll durch das pointierte Vortragen des Hauptthemas. Die rhythmischen Herausforderungen des Satzes meisterte der Solist mit sichtlichem Spaß an der Sache und ließ seinen Fingern nun auch im Tempo freien Lauf. Behände spielte er die flotten Solopassagen und schien sich vor allem in der Höhe wohl zu fühlen. Die Orchestermusiker zogen mit dem spielerischen Charakter mit, wurden aber nach wie vor von der leitenden Hand an der kurzen Leine gehalten. Erst ganz zum Ende hin riss dieses interpretatorische Korsett auf, sodass man zumindest einen kurzen Einblick in die tatsächliche Klanggewalt der Göteborger Symphoniker bekam.